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Herrscher

Herrscher

Titel: Herrscher
Autoren: Howell Morgan
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aber noch brauchte er sie.
    »Verbinde die Wunde«, befahl er ihr, weil er wusste, dass sie nicht genug Willenskraft hatte, um ihr Leben zu bewahren.
    Moli gehorchte, dann setzte sie ihre Betätigung fort. Während sie Othar fütterte, erkundete er beiläufig ihren Geist. Grauen und Abscheu erfüllten einen Teil ihres Gemüts, doch sie blieb so hilflos wie jemand, den man eingemauert
hatte. Molis Gedächtnis war unbeeinträchtigt, aber ihre Gedanken drehten sich allein um das, was Othar ihr einflüsterte. Er ersah, dass sie ihm dienstbar sein würde, bis ihr Verstand unter der Belastung zerbrach. Schon jetzt nahm er Trübungen ihrer geistigen Klarheit wahr. Die Frage, was wohl geschah, wenn sich ihr Geist vollends umnachtete, machte ihn neugierig. Ich erfahre es bald genug, dachte er. Sie wird nicht lang durchhalten.
    Othar beschloss, ihren Nachfolger am Abend durch Moli selbst in die Kate locken zu lassen, denn er hatte schon entdeckt, dass er, um einen fremden Geist zu überwältigen, dem Opfer in die Augen sehen musste. Wie er an diese Begabung gelangt war, blieb für ihn nach wie vor ein Rätsel, und er konnte nur mutmaßen, dass entweder die Zauberknochen sie verursacht hatten oder die Wesenheit, die sich dahinter verbarg. Letzteres hielt er für wahrscheinlicher. Stets war ihm ihre Gegenwart spürbar gewesen, wenn er mit den Knochen in die Zukunft geblickt hatte.
    Es musste eine boshafte und blutdürstige Wesenheit sein; dafür galt ihm sein verwüsteter Leib als Beweis.
    Warum jedoch hat sie mir dann ein derartiges Geschenk gemacht? Die Antwort kam ihm rasch in den Sinn. Damit ich an Dar Vergeltung üben kann.

2

    ALS DAR ERWACHTE, fühlte sie sich so überrascht wie ratlos. »Mer lav?« Ich lebe?
    Neben ihr kniete eine Mutter. Sie neigte den Kopf und antwortete in orkischer Sprache. »Muth’la hat dein Leben bewahrt.«
    Warum?, dachte Dar. Sie war heimgekehrt, um Fathma weiterzureichen, die Gabe der Göttlichen Mutter, die zur Führerschaft über die Orks befähigte. Dem Tode nahe, hatte sie in ihrem Leib Fathma umherflattern sehen, ein Geistwesen, das einer zweiten Seele ähnelte. Diese Innensicht war verflogen. Die Welt war wieder feststofflicher Natur. Zur gleichen Zeit wirkte sie seltsam unvertraut auf sie. »Wo bin ich?«, fragte sie.
    »In deinem Hanmuthi, Muth Mauk.«
    Also bin ich noch Königin. Muth Mauk, Große Mutter, war nicht bloß ihr Titel; es war auch ihr Name geworden. Dar wollte den Kopf heben und sich umschauen, doch vor Schwäche gelang es ihr nicht. Sie erinnerte sich an das Gesicht der Mutter, die bei ihr war, doch nicht an ihren Namen. Nach ihrer Wiedergeburt hatte jedes Mitglied der
Yat-Sippe sich ihr vorgestellt. Die Warteschlange der Besucher hatte erst nach Tagen ein Ende genommen. »Ich kenne dich«, sagte Dar, »aber ich habe deinen Namen vergessen. «
    »Ich bin Deen-yat, die Heilerin der Sippe.«
    »Ich dachte, ich läge im Sterben.«
    »Du lagst im Sterben«, bestätigte die Heilerin.
    Dar wusste, dass sie froh und erleichtert sein müsste. Stattdessen fühlte sie sich beklommen. Ich bin heimgekehrt, um die Krone abzugeben, nicht um zu herrschen. In ihrem matten Zustand empfand sie die Herausforderung als überwältigend groß. Ich weiß doch gar nicht, was ich tun soll.
    Deen-yat witterte Dars Unsicherheit, missdeutete allerdings den Grund. »Du wirst am Leben bleiben, Muth Mauk.«
    »Das kann ich nur deinen Fähigkeiten zu verdanken haben. «
    »Deine Genesung ist nicht mein Werk. Das Giftkraut ist prallvoll mit tödlicher Zauberkraft.«
    »Ich hatte bloß einen Kratzer abgekriegt.«
    »Solche Kratzer haben Söhne getötet, und zwar schnell. Dein Überleben ist eine Gunst Muth’las.«
    Dar erkannte zwar, dass Deen-yats Äußerungen sie trösten sollten, doch sie spendeten keinen Trost. Muth’la verfolgte eigene Zwecke. Zwar glaubte Dar zu verstehen, warum sie Königin geworden war, doch sie begriff nicht, weshalb sie es bleiben sollte.
    »Seit wann bin ich hier?«
    »Die Sonne ist seit deiner Rückkunft dreimal aufgegangen. «
    »Ich möchte meine Muthuri und meine Schwestern sprechen. «

    »Das kannst du, sobald es dir besser geht.« Deen-yat lächelte. »Auch Königinnen müssen Heilkundigen gehorchen. «
    Die Heilerin blieb den ganzen Tag lang an ihrer Seite und pflegte sie.
    Gegend Abend hatte Dar wieder ausreichend Kraft, um sich hinzusetzen und umzuschauen. Sie befand sich in einer der zahlreichen Schlafkammern des größten Hanmuthi, das sie je gesehen hatte.
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