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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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meine Schwägerin. Darf ich Euch bitten, diesen Brief an meinen Vater zu schicken, wenn es mit mir nicht gut ausgeht?«
    Eine ungehorsame Träne lief ihr neben der Nase herunter, trotzdem brachte sie ein Lächeln zustande. »Es wird gut ausgehen. Aber ich werde ihn an mich nehmen.«

 
    Lüneburg: Im Baterhaus
     

4
     
    Zwölf Wagen kamen am Ende vor Lüneburgs Rotem Tor an. Man ließ sie nicht einfach hinein. Die Wartezeit wurde länger und länger, während die Kaufleute mit der Stadtwache disputierten, die Fuhrknechte am Straßenrand Wasser ließen und jeder Wagen und jedes einzelne Mitglied der Reisegesellschaft unter die Lupe genommen wurde.
    Carton schlief, Adas Pate hatte die Augen geschlossen, und auch von der Wenthe war ganz still geworden. Beunruhigt blickte Ada von ihm zu den Männern, die sich draußen langsam an der Wagenschlange entlang auf sie zubewegten. Wenn sie nur eine Möglichkeit sähe, ihm zu helfen! Aber wie die Dinge lagen, konnte sie sich in dem vollgestopften Wagen kaum rühren.
    Wieder blieben die Männer der Stadtwache bei einem Fuhrwerk stehen. Ada verlor die Geduld. »Was dauert das so lang?«, rief sie Eilert zu.
    »Ich glaube, die Toten sollen nicht in die Stadt. Man ist sich nicht einig«, gab er zurück.
    Ada beugte sich ängstlich zu von der Wenthe hinunter und versuchte zu erkennen, ob er noch atmete.
    »Eine Unverfrorenheit, deshalb den ganzen Zug aufzuhalten«, sagte ihr Pate, legte seine Bibel auf den Sitz und stieg mit steifen Bewegungen aus der Kutsche.
    Auch Adas Rücken und Gesäß schmerzten höllisch von der aufgezwungenen Bewegungslosigkeit auf der harten Bank und von den Wagenstößen. Zudem zwickte ihre Blase. Trotzdem nutzte sie den gewonnenen Raum, um sich dem am Boden Liegenden zu widmen. Sie rüttelte ihn behutsam, berührte ihn so lange, bis seine Lider endlich flatterten. »Durst«, flüsterte er.
    Adas erste Regung war ein Aufatmen, weil er noch so viel Leben zeigte. Gleich darauf kam die Erkenntnis, was es bedeutete, ihn pflegen zu müssen. Durst. Natürlich hatte er Durst, das konnte sie ihm nachfühlen. Leider hatte sie selbst nichts. Alles, was er brauchte, müsste sie ihm besorgen, und darin war sie nicht geübt.
    Andererseits wurde es höchste Zeit, dass sie solche Dinge lernte, wenn sie in Zukunft allein für sich sorgen wollte. Entschlossen raffte sie ihre Röcke und stieg aus.
    Ihr Pate hatte eine laute Auseinandersetzung mit der Stadtwache, er behauptete, als ansässiger Bürger von Lüneburg vorgelassen werden zu müssen. Drei Wagen trennten sie von der diskutierenden Gruppe. Ada fing beim Letzten an und fragte erfolglos jeden Kutscher nach Trinkbarem. Alle machten freundliche Bemerkungen darüber, dass ihre Kehlen ebenfalls trocken wären. Helfen konnte keiner. Der Kutscher des vierten Wagens, auf dem die beiden Toten lagen und neben dem die streitenden Männer standen, war der zweite Fuhrknecht, der mit Carton geritten war. Er stand schweigend beim Kutschbock, eine Hand am Wagen, oben auf dem Bock saß einer der Lehrjungen. Beide verfolgten die Auseinandersetzung der anderen so starr, dass ein unaufmerksamer Beobachter sie für teilnahmslos gehalten hätte.
    Ada vermutete, dass der Mann starr vor Trauer war, und ging zu ihm. »Es tut mir leid für Euch. Euer Freund war ein mutiger Mann.« Er presste die Lippen zusammen, nickte und sah sie an. »Meine Verletzten haben Durst«, fuhr sie fort. »Habt Ihr noch einen Schluck Wasser auf dem Wagen? Dann könnte ich wenigstens eine Kleinigkeit für sie tun.«
    »Konrade! Was fällt dir ein?« Ihr Pate hatte sie offenbar erst jetzt bemerkt.
    Der Fuhrknecht nahm seine braune Filzkappe ab, strich sich mit der Hand über den kurz geschorenen runden Schädel, schüttelte den Kopf und seufzte.
    »Ihr könntet ihn beim Hospiz begraben lassen. Vor der Stadt, dort entlang«, riet Ada ihm leise.
    »Verletzte? Warum habt Ihr uns nicht gesagt, dass Ihr Verletzte im Wagen habt?«, warf einer der Wachmänner Stechinelli vor. »Habt Ihr verwundete Soldaten mitgenommen? Die dürfen nur in die Stadt, wenn sie zahlungsfähig sind. Wo kämen wir hin, wenn wir die alle aufpäppeln sollten?«
    Ada drehte sich rasch zu ihm um. »Nein. Es handelt sich um meinen Mann. Er und ein Freund wurden unglücklich in das Gefecht verwickelt.«
    »Dann fahrt um Himmels willen vor. Wir räumen Euch den Weg«, erwiderte der Wachtposten.
    Ada wirbelte danksagend herum, um zum Wagen zu laufen, da griff der Fuhrknecht nach ihrem Arm, nahm ihre
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