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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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der zweite zum Pferd zurück und brachte Ada einen zusammengerollten Mantel. »Sein Zeug«, sagte er, dann stieß er seinen Kumpan an, und beide zogen sich ohne weiteren Gruß zurück.
    »Dank euch«, rief Ada ihnen nach. Sie war schon halb in der Kutsche, als ihr Carton einfiel und sie sich noch ein Mal umdrehte. »Ihr bindet Euer Pferd am besten an die Kutsche und steigt zu uns ein.«
    Er sah sie mit großen Augen an. »Ich würde«, sagte er, den Degen noch in der linken Hand, »ich …«
    Seine Beine gaben nach, und er wäre der Länge nach gestürzt, wenn Ada ihn nicht aufgefangen hätte. Sie war nicht zierlich, aber sein Gewicht zu halten, kostete sie all ihre Kraft. »Gute Güte. Ach du lieber Gott«, keuchte sie. »Eilert!«
     
    Auf der Weiterreise fuhren sie als Letzte im Wagenzug, und Ada rechnete jeden Moment mit herangaloppierenden Kosaken oder einem ähnlich wilden Reitervolk, das der Kaiser jüngst angeworben haben mochte.
    Christopher Carton klemmte, mit geschlossenen Augen und den Degen zwischen den Knien haltend, in dem Winkel neben dem Gepäck, wo vorher Eilert gesessen hatte. Das hatte den Vorteil, dass er nicht umkippen konnte, falls er wieder das Bewusstsein verlor. Vorerst war er wach, bei jedem starken Stoß des Wagens auf der ungepflegten Straße verzog sich sein Gesicht vor Schmerz. Zu seinem Glück blutete die Streifschusswunde an seiner Schulter nur noch schwach. Ada hatte gefragt, ob sie ihm helfen könne, aber er hatte abgelehnt; und die Wahrheit war, dass sie gar nicht wusste, was sie hätte tun können. Für Carton ebenso wenig wie für von der Wenthe, der zusammengerollt auf der Seite lag und den Boden des Wagens so bedeckte, dass sie alle ihre Füße unter ihn stecken mussten. Er hatte mindestens drei Wunden davongetragen, mehr konnte sie nicht erkennen, weil inzwischen alles voller Blut war. Das Innere der Kutsche war rotbraun verschmiert, ihr Kleid hatte Flecken, sogar Stechinellis Bibel. Immerhin kamen die Blutungen allmählich zum Stillstand, an einigen Stellen war das Blut bereits getrocknet. Es mochte ein gutes Zeichen sein, dass der Verletzte bei jedem dritten Atemzug stöhnte. Ada hatte ihm seinen Mantel unter den Kopf geschoben und die Haare aus dem Gesicht gestrichen, dabei hatte er die Augen geöffnet, doch ohne ein Zeichen von Bewusstsein.
    Ihr Pate saß derweil stocksteif und mit versteinerter Miene da, die Bibel wieder auf dem Schoß, allerdings zugeklappt.
    Ada selbst fühlte sich erschöpft und durchgerüttelt. Für eine Weile wollte sie das Elend der anderen nicht mehr sehen und auf keinen Fall darüber nachdenken, wie es weitergehen würde, daher machte sie ebenfalls die Augen zu. Ihr Körper holte sich sofort sein Recht, und sie döste ein.
    Schüsse und Geschrei rissen sie wieder aus dem Schlaf. Entgegen ihrer Erwartung waren es nicht die Kaiserlichkatholischen Reiter, die ihnen folgten, sondern Räuber, die den Wagenzug von der Seite her angriffen.
    Abrupt kamen sie zum Stehen.
    »… geheiligt werde dein Name, wie …« Stechinelli murmelte mechanisch und mit weit aufgerissenen Augen.
    Der Schusswechsel war vorüber, kaum dass er angefangen hatte, und das Geschrei verstummte. Ada steckte den Kopf aus dem Wagen. »Eilert? Alles in Ordnung?«
    »Der Angriff ist abgeschlagen«, kam es hörbar erleichtert vom Kutschbock zurück.
    »Warum geht es nicht weiter?«, fragte Stechinelli laut und ungeduldig.
    »Es sind zwei von den Unsrigen zu Boden gegangen«, berichtete Eilert. »Einer von den beiden, die vorhin geholfen haben, Herrn von der Wenthe zu holen. Der wird gerade aufgeladen.«
    »Ist er tot?«, erkundigte Stechinelli sich.
    »Sieht so aus.«
    »Ich werde sehen, dass wir den Ring und die Taler wiederbekommen. Dieser Lohn war nichts anderes als erpresst.«
    Ada machte sich nicht die Mühe, ihrem geizigen Paten zu widersprechen. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen, fand aber nicht so gnädig in den Schlaf wie zuvor. Die Sorgen ließen sich nicht mehr verdrängen, ihre Gedanken rasten. Vielleicht würde von der Wenthe vor ihren Füßen sterben, Carton womöglich gleich mit. So brachte sie zwei Tote nach Lüneburg, falls man sie überhaupt hineinließ, und müsste ihren Vater bewegen, ihnen ein Begräbnis zu verschaffen. Dann müsste sie die Papiere abschicken, und die würden nicht an ihren Bestimmungsort gelangen, so unsicher, wie die Straßen waren. Falls sie ankämen, würde es lange dauern, bis sie etwas von ihrem neuen Vermögen sah. Zu lange.
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