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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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vorankommen.«
     
    Hauptmann Jonsson beauftragte acht seiner Männer, sie zu begleiten, weil Lenz versprach, sie mit weiteren Lebensmitteln zurückzuschicken. Ganz zu schweigen von den persönlichen Geschenken für den Herrn Hauptmann.
    Vor Einbruch der Nacht schafften sie es immerhin, das Schlachtfeld hinter sich zu lassen. Sie kampierten mit den Nachzüglern des schwedischen Trosses: Kranken und Verkrüppelten, Handwerkern mit lahmen Pferden, spät aufgestandenen Marketenderinnen und Soldatenweibern, die noch rasch unterwegs ein Kind hatten auf die Welt oder unter die Erde bringen müssen.
    Lenz hatte in allen Nächten schlafen können, weil seine Vernunft es ihm befahl. In dieser Nacht schlief er nicht. Er stellte sich vor, wie er nach Wenthe kam und Ada wiedersah, doch das Bild entglitt ihm und endete mit der entsetzlichen Angst, dass sie verschwunden war oder tot.
    Wäre die Nacht heller gewesen, wäre er in Versuchung gekommen, allein vorzureiten; aber es war dunkel, und er hatte kein Vertrauen in sein neues Pferd. Die Stute hatte zwar starke Nerven, doch ihr Maul war verhärtet, und ihr Reiter war ihr völlig gleichgültig.
    So lag er in seinen Mantel gewickelt unruhig wach oder im Dämmerschlaf, bis die Vögel den nahenden Sonnenaufgang ankündigten. Dann hielt ihn nichts mehr. Er weckte die Männer unbarmherzig und ließ ihnen kaum Zeit, ihre Blasen zu erleichtern, bevor er sie zum Satteln anhielt. Die Soldaten schienen es nicht anders gewöhnt, sie murrten nicht. Curds Männer beschwerten sich gutwillig, fügten sich jedoch ihrem Anführer, der Eile für geboten hielt.
    Sie ritten auf dem Weg nach Wenthe schon schnell, verdoppelten ihr Tempo jedoch, als sie die Rauchwolke sahen, die über dem gräflichen Anwesen stand.

18
     
    Am späten Abend war Dierk bereits einmal auf Erkundung gegangen. Die Eindringlinge kehrten überall das Unterste zuoberst, berichtete er. Der gute Schrank stünde schon auf dem Hof, und die Hunde lägen tot auf dem Mist. Vom Gesinde hatte er nur Ottman zu Gesicht bekommen, den sie vor dem Stall an einen Viehhaken festgebunden hatten, und Jakob, der volle Wassereimer vom Brunnen zu den Pferden der Kerle schleppte.
    Die Nacht verbrachten sie, ohne zu wissen, wann sie anfing und endete. Die Kinder schliefen in der Finsternis vor Erschöpfung, Dierk hielt es nicht in der Kammer aus. Er verbrachte seine Zeit auf den Treppenstufen davor, ungeachtet der Tatsache, dass er nah bei dem Winkel sitzen musste, in dem alle ihre Notdurft verrichteten.
    Ada konnte es ihm nachfühlen und hätte es ihm gleichgetan. Die Luft war ohnehin überall schlecht. Da aber das kleine Mädchen der Flügges schlafend mit dem Kopf auf ihrem Schoß lag, fühlte sie sich verpflichtet, stillzuhalten und die Ruhe zu bewahren. Doch sie wusste, dass sie nicht lange ausharren konnten, gerade wegen der Kinder.
    Trotz allen Unwohlseins schlief sie selbst für eine Weile und erwachte, als Luises Schulter, gegen die sie gesunken war, ihr plötzlich keinen Halt mehr bot. Luise stand auf, weil Dierk sie rüttelte.
    »Sie kommen in die Gruft«, flüsterte er aufgeregt.
    Kurz trat Luise mit ihm aus der Kammer, dann kam sie wieder herein und schloss behutsam die Holztür. Dierk blieb draußen.
    »Keinen Laut!«, wisperte Luise.
    Ada streichelte das sich im Schlaf regende Mädchen auf ihrem Schoß und kämpfte mit ihrem Gewissen. Schon kurz nachdem sie sich hier unten auf der Bank niedergelassen hatte, war ihr eingefallen, dass sie die anderen gefährdete. Graf Ferdinand, Märtens und Stechinelli würden nur sie suchen und die Schuldscheine. Auf welche törichte Hoffnung hatte sie gesetzt, als sie in die Gruft geflüchtet war? Sie hätte sich allen Forderungen beugen sollen, um so gut wie möglich die Leute zu retten. »Ich lasse mich finden«, hauchte sie Luise ins Ohr, die wieder neben ihr saß. »Dann suchen sie euch nicht mehr.«
    Luise griff nach ihrer Hand und drückte sie hart. »Nichts geben wir ihnen freiwillig. Auch Euch nicht. Der Katholik bringt uns alle um.«
    Sie ließen ihre Hände ineinander liegen, als wären sie Freundinnen, und schwiegen, bis Dierk die Tür öffnete.
    »Sie sind fort.«
    Etliche Stunden später schoben sie ein weiteres Mal den unteren Stein zur Seite, damit Dierk oben nachsehen konnte, wie es stand.
    Zu ihrem Vorteil hatten Graf Ferdinands Männer sich nicht die Arbeit gemacht, die Gruft wieder ganz zu verschließen. Sie hatten einen Spalt gelassen, durch den Dierk beinah bequem schlüpfen
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