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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier
Autoren: Michael Joseph
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war eine ideale Drehscheibe für den Tierhandel. Genau das würde er versuchen aufzudecken.
    Gregor lehnte sich zurück und schenkte sich ein Glas Wein ein. Seine Beiträge würden landesweit, sogar bundesweit laufen. Geschichten von geschundenen Tieren – das kam überall an. Und er würde das illegale Netzwerk der Tierhändler enthüllen. Gleich morgen würde er mit Polizeisprecher Grieshaber reden.
    Er nahm einen Zug aus dem Glas und verschluckte sich fast. Und gleich nach der Tiermafia würde er sich der Ökowein-Camorra widmen.

Monster

    Gregor beschloss, vor dem Schlafen noch einmal seinen vorhin ins Netz gestellten Beitrag anzusehen, ein Ritual, das er besonders nach anstrengenden Tagen pflegte. Er tippte  raz-online.de  ins Suchfenster. Gleich auf der Startseite ploppte sein Beitrag auf: »Affenmord im Rostocker Zoo. Orang-Utan-Weibchen von irrem Täter gequält und getötet. Polizei ratlos. Ein Beitrag von Gregor Simon«. Irrer Täter? Wie banal. Sein eigener, kaum zwei Stunden alter Anreißer kam ihm überholt vor. Der gerade erlangte Wissensvorsprung ließ ihn über sein Selbst von eben lächeln. »Schnell richtig ist auch schnell wieder falsch«, sagte Jürgen immer. Jetzt verstand Gregor, was sein Redaktionsleiter damit meinte.
    Die knapp drei Minuten des Beitrags flossen zäh. Zumindest hörte Gregor seine eigene Stimme gern, eine Charakterstimme. Aber das Ganze war im Grunde langweilig. Keine brisanten Bilder, nur sprechende Köpfe. Na ja … Gregor stoppte den Beitrag. Welches Standbild er auch einstellte, die Assistentin der Zoodirektorin sah einfach immer gut aus. Sogar mit halb geschlossenen Augen und halb geöffnetem Mund. Jeder andere Mensch hätte debil gewirkt. Sie wirkte verwegen.
    Gregors Telefon klingelte. Ertappt schloss er Jeanette Albrechts Standbilder. Die Online-Redaktion rief an.
    »Hallo Almuth. Habe gerade einen phänomenalen Beitrag auf eurer Homepage gesehen.«
    »Hat er wieder fein gemacht, unser Gregor«, flötete es am anderen Ende und Gregor sah Almuths mächtigen überbissigen Unterkiefer vor sich. »Ich glaube aber, dass da viel mehr dahinter steckt, nur bekommt das wieder keiner mit.« Almuth war vielleicht nicht die Schönste, aber sie hatte die Eigenschaft, immer ein wenig weiter zu denken als alle anderen.
    »Wie meinst du das: viel mehr?«
    »Irgendeine ganz verzwickte Geschichte. Irgendwas mit Geld. Jedenfalls kein Perverser, der im Zoo eine Äffin umbringt, weil er dabei einen Kick bekommt.«
    »Weißt du was, ich glaube auch nicht daran. Und ich sehe mich auch schon in einem ganz anderen Bereich um. Ich sag nur: Tierhandel.«
    »Wunderbare Idee. Übrigens, warum ich anrufe: Hier ist eben eine komische Mail eingegangen. Ich leite die mal an dich weiter.«
    Sie verabschiedeten sich und nach ein paar Sekunden kam die Mail an. Als Absender war  Zoofreund  angegeben, unter der Adresse eines kostenlosen Internetanbieters. Der Text war kurz und unverständlich: »Nachricht am Zaun, Südseite, Zoo. Wer zuerst kommt malt zuerst.«
    Einladung zum Zeichenzirkel. Kommasetzung und Rechtschreibung waren noch nie die Stärke von Leserbriefschreibern. Außerdem benutzen die Leute Redensarten, ohne sich eine Sekunde den Kopf zu zerbrechen, was sie da sagen oder schreiben. Sie analysieren »das Klientel«, sie brechen Diskussionen »vom Zaum« und sie machen sich keinen Begriff davon, dass derjenige, der zum Mahlen geht, den DIN-A3-Block getrost zu Hause lassen kann.
    Gregor erwachte aus seinem kleinen Sprachkritik-Rausch, nun kam die Botschaft endlich bei ihm an. Nachricht? Am Zoo? Als Reaktion auf den gerade online gestellten Beitrag? Er klappte fluchend den Rechner zu, nahm seine Jacke und öffnete leise die Schlafzimmertür. Madeleine lag noch immer so, wie er sie verlassen hatte, nur schlief sie jetzt. Er zog vorsichtig das Bettdeck über die im Dunkeln hell schimmernden Pobacken.
    Im Hausflur nahm er keine Rücksicht mehr. Er polterte die Treppe hinunter, schließlich ging es um Sekunden. Als er sich auf das Fahrrad schwang, bereute er wieder einmal, aus rein ökologischen Gesichtspunkten kein Auto zu besitzen. Doch Gregor hatte nur leichtes Gepäck, also trat er ordentlich in die Pedale. Er arbeitete sich die Wismarsche Straße hoch, vermied es, jetzt schon aus dem Sattel zu steigen. Wie sollte er die nächsten Steigungen bewältigen – fliegend?
    Immerhin, die Luft war mild, die Straßen leer. Bis auf ganz wenige Autos, die um diese Zeit noch unterwegs waren. Er radelte
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