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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier
Autoren: Michael Joseph
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Jeanette spürte, dass ihr Gespräch Evelyn gut tat, sie ablenkte. Deshalb fuhr sie mit ihren Gedankenspielen fort.
    »Als das  Darwineum  eröffnet wurde, da gab es doch diese furchtbaren E-Mails und Drohbriefe von irgendwelchen religiösen Gruppen aus Süddeutschland und den USA, die die Evolutionstheorie Darwins bekämpften. Ich weiß nicht mehr, wie die hießen.«
    »Hör bloß auf, Jeanette, von denen bekomme ich sogar heute noch Post.«
    »Per E-Mail?«
    »Ja. Das waren meistens …«, Evelyn überlegte einen Moment. »Die hatten so einen komischen Namen. Jetzt hab ich’s. Kreationisten! So hießen die.« Sie verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse, die ihr imposantes Zahnfleisch freilegte. »Die glaubten ernsthaft, dass Gott das alles hier genau so geschaffen hat, wie es in der Bibel steht. Sechs Tage Arbeit, fertig ist sie, die Welt. Sonntag Pause.«
    »Wie blöd ist das denn?« Jeanette schüttelte den Kopf.
    Sie war gebürtige Stralsunderin und wie die meisten aus Deutschlands Nordosten hatte sie keinen Zugang zur Religion. Ihr Großvater war Vorarbeiter auf der Werft, der sagte immer: »Für so’n Schiet heww ick keen Tiet. Dat sin all so Halunken, die nu auf Nächstenliebe machen, wo sie de Lüd’ noch vör ’n paar Johr mit die Schraubstöcke gequäligt hädd’n. Nee, min Dirn, klemm du di man din Daumen inne Tür, denn weißt, wat ick meen.« Ihre Mutter ergänzte dazu immer, dass der Dorfpfarrer ihm immer  das Fell verjackt  hatte, wenn er ihn als Lausejungen beim Kirschenklau erwischt hatte. »Oh, da kann dein Opa sehr nachtragend sein. Am Ende haben uns die Kirschen und der Rohrstock auf Großvaddings Hintern zu Atheisten gemacht, nicht die DDR.« So war es für Jeanette auch einzig und allein der Glamour der kirchlichen Trauungen, der sie mit Gott verband und für d›n sie sich sogar e‹ne Art ‚Kurzmitgliedschaft’ vorstellen konnte. Eine Hochzeit vor dem Altar war nicht wie im Standesamt, in dem eine Beamte mit dem Charme eines Parkautomaten die geleitenden Worte sprach.
    Evelyn strich sich eine Strähne von der Stirn. »Wie ernst die das nahmen. Ich habe  immer gestaunt, aus welchen Kreisen diese Leute kamen, die sich über das  Darwineum , das heißt eigentlich über Darwin aufregten«, erinnerte sie sich und nahm einen Schluck Wasser. »Meistens waren es ja Amerikaner, die waren weit weg. Aber weißt du eigentlich, dass ich sogar von der polnischen Regierung Post bekommen habe?«
    »Von der polnischen Regierung …«, wiederholte Jeanette erstaunt.
    »Ja, ich erinnere mich noch ganz gut. Das war sogar einer der ersten Briefe, da hatten wir noch nicht einmal zu bauen begonnen. 2009 oder 2010. Die schrieben in Engli›ch und da stand et‹as von ‚Intelligent Design’. Mein Englisch ist ja nicht so besonders, und da ich die Truppe nicht kannte, dachte ich zunächst, die finden unsere Website gut oder etwas in der Art. Dabei waren das irgendwelche Pseudowissenschaftler.«
    In diesem Moment klopfte es. Henning Schwarck, der Sicherheitschef, trat ein. Er war augenscheinlich nervös. In seinen Händen hielt er in einer Klarsichtfolie einen Brief mit aufgeklebten Buchstaben.
    »Ich glaube, der ist für Sie, Frau Direktorin.«
    Er übergab ihr die Folie, schüchtern, wie ein großer Schuljunge seiner Lehrerin das Hausaufgabenheft.
    »Den habe ich an einem Stück durchgeschnittenen Zaun gefunden, oben an der Rennbahnallee, Richtung Tannenweg. Da muss der Kerl rein sein.«
    »Und die Polizei? Sind Sie da nicht mit denen langgegangen?«, fragte Jeanette.
    »Doch, doch, den Zaun haben die auch gesehen, aber den Brief nicht. Ich dachte, das sollten besser Sie entscheiden … Er ist ja an Sie adressiert.«
    Angewidert hielt Evelyn mit spitzen Fingern eine Ecke des noch ungeöffneten Umschlags, wie man den Schwanz einer toten Ratte greifen würde.  An Frau EVELYN HAMMER  stand darauf und bis auf das  An Frau  waren alle Buchstaben einzeln ausgeschnitten und aufgeklebt. Die ersten beiden Worte waren in Druckbuchstaben mit einem Kugelschreiber hinzugefügt worden. Sie legte ihn vor sich auf den Tisch und zeigte auf die Schreibschrift. Evelyn war jetzt wieder die Alte, die mit Problemen und Schmutzarbeit konfrontiert die Übersicht bewahrte.
    »Ist ihm die Anrede erst im Auto eingefallen? Oder hatte er keine Geduld mehr?«
    Jeanette und Henning schwiegen.
    »Vielleicht wird das jetzt so etwas wie ein Rätsel?«

Edle Tropfen

    Gregor überlegte, ob er die Zunge benutzen sollte. Aus Gründen der
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