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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier
Autoren: Michael Joseph
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noch dementieren, antwortete Grieshaber.
    Jetzt riss Gabi den Arm in die Höhe. »Könnte es auch Selbstmord gewesen sein?« Ein heiteres Murmeln ging durch den Raum. Grieshaber wollte antworten, aber Evelyn Hammer hatte sich gefangen und kam ihm zuvor. »Suizidhandlungen sind im Tierreich extrem ungewöhnlich, Gabriele. Und wenn etwas den Affen vom Menschen unterscheidet, dann wohl die Tatsache, dass er nicht Hand an sich legt.« Und nach einer kleinen Pause. »Außerdem hatte Emma ein drei Monate altes Junges, das in der letzten Nacht nicht bei ihr war.«
    »Wie konnte denn der Täter überhaupt in den Käfig kommen?«, fragte Günter Laasch vom  Norddeutschland-Funk .
    »Diese Frage beschäftigt uns zurzeit vordringlich.« Sicherheitschef Henning Schwarck hatte das Wort ergriffen. »Das Schloss der Käfigtür war beschädigt, außerdem haben wir ein Loch im Zaun entdeckt. Nichtsdestotrotz kannte sich der Täter offenbar gut aus. Vermutlich hatte er Insiderkenntnisse.«
    »Bei ihr hätte ich auch gern Insiderkenntnisse«, raunte Bernd und wies mit dem Kinn in Richtung Jeanette Albrecht.
    »Können Sie das gleich noch mal sagen?«
    Gregor und Bernd schraken auf. In der ersten Reihe war Edzard Laumen von  Nord-TV  dabei, polternd seine Kamera auseinanderzunehmen. Er zog einen schwarzen Kasten aus der Rückseite und zeigte ihn in die Runde. »Akku alle.«
    Gregor wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er war auf dem Rückweg und ließ den Pressetermin noch einmal Revue passieren. Ihm war, als wäre jeder Satz zu dem Verbrechen im Zoo über die leicht aufgeworfenen Lippen von Jeanette Albrecht gekommen. Seine Flucht nach vorn hatte keine Erlösung gebracht. Das kurze Gespräch mit der Assistentin hatte den Verdacht bestätigt, dass die junge Frau nicht nur gut aussah, sondern auch »was auf der Kirsche« hatte, wie die Rostocker das nannten. Und was für Kirschen. Sie hatte Gregor mit ein paar Hintergrundinformationen versorgt. »Wir sehen uns bestimmt noch«, hatte sie im Weggehen gesagt. Mit einem hinreißenden Schulterblick.
    Er machte eine Vollbremsung. Direkt vor ihm war ein Wa­gen abgebogen, ohne auf den Radstreifen zu achten. Gregors Verwünschung blieb ungehört. Der blaumetallicfar­bene Kleinwagen entfernte sich ungerührt, die Insassen hatten offenbar genug mit Cheyenne  und  Marcel  zu tun, die laut Heckklappenaufkleber mit  on Tour  waren.

Post

    Evelyn Hammer presste die Spitze ihres rechten Schuhs fester gegen die Bürotür.
    »Moment noch«, rief sie, als es klopfte.
    Damit der dunkelbraune Rock, den sie geöffnet und ein wenig heruntergelassen hatte, nicht rutschte, stellte sie das andere Bein zurück, so als würde sie einen großen Schritt machen, ohne sich dabei vorwärts zu bewegen. Sie hatte für besondere Anlässe immer eine dekorativere Garderobe im Aktenschrank liegen. Jetzt hatte sie die Bluse ausgezogen und stemmte sich im BH gegen die Tür. Diese verdammten Taschentücher! Ihre Hände zitterten, als sie ein paar aus der Packung zog, um sich damit die Achseln und das verschwitzte Dekolleté trocken zu wischen. »Mist!« Sie wiederholte das Wort dreimal und stöhnte verzweifelt auf. Halbnackt stand sie da und wünschte, sich in einem Spiegel sehen zu können, dessen Bild sie mittlerweile eigentlich lieber mied. Für ihr Alter war sie gut in Form, aber eben nur für ihr Alter. Sie konnte den Anblick ihrer sommergesprossten, von Jahr zu Jahr schlaffer werdenden Haut nur schwer ertragen. Ab 40 geht die Spannkraft flöten, sagte ihre Frauenärztin immer, und ab 50 macht sie Platz für Fett, egal ob man zunimmt oder nicht. »Tolle Natur! Danke!«, zischte sie vor sich hin.
    »Evelyn, Professor Kramer ist am Telefon.«
    Der hatte ihr noch gefehlt.
    »Später, ich kann jetzt nicht.«
    Durch die geschlossene Tür hörte sie, wie Uschi den Anrufer abwimmelte. Nachdem sie sich wieder hergerichtet hatte, bat sie Jeanette Albrecht herein.
    »Tut mir leid, ich musste mich ein wenig frisch machen. Ich war klitschnass. Kommst du rüber?« Sie ging zu ihrem Besprechungstisch und stellte eine Flasche Wasser und zwei Gläser auf die hellbeige Platte.
    »Leite das Telefon am besten auf den Anrufbeantworter, jetzt rufen sicher viele an! Oder leg den Hörer einfach daneben! Ich will jetzt erst mal nicht«, rief sie Uschi, der Sekretärin, zu.
    Evelyn ließ sich auf den Stuhl fallen, als hätte sie Tag und Nacht im Stehen gearbeitet. Jeanette, die gleichsam fleißige Mitarbeiterin wie fürsorgliche
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