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Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
Autoren: Hans-Henner Hess
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gefangen im Kerker seines Körpers, sah er erst, welch ein eitler Esel er die ganze Zeit gewesen war. Nie hatte er sich auch nur eine Sekunde ernsthaft gefragt, warum die Driesel ausgerechnet ihm die Verteidigung von René Schmidtkonz übertragen hatte – und dabei war doch sonnenklar, dass es nur einen einzigen triftigen Grund dafür geben konnte: nämlich ausschließlich den, dass die scheidende Amtsgerichtsdirektorin ihn als Anwalt für konkurrenzlos unfähig gehalten hatte und folglich davon ausgegangen war, dass sein Mandant für den Mord an der Kminikowski in jedem Fall verurteilt werden würde! Und damit wäre der wahre Mörder – oder vielmehr die wahre Mörderin , nämlich niemand anderes als sie selbst, fein raus gewesen!
    Der Fickel lächelte selig in sich hinein, endlich das verdammte Rätsel geknackt zu haben. Wie gern hätte er es jemandem erzählt, der Ilona zum Beispiel, die ab und zu an seinem Bett auftauchte und immer irgendwie wehmütig lächelte, oder dem Schachspieler. Aber er brachte kein Wort heraus, nicht ein einziges.
    Dabei war es so interessant, wie sich jetzt in der Rückschau die Puzzleteile zusammensetzten. Woran der Fickel nämlich auch noch nicht gedacht hatte: Die Abzocke vom Exner funktionierte natürlich nur, wenn auf der anderen Seite das Gericht mitspielte, das den Betreuer bestellte und überwachte. Wie hatte die Olschewski über die Driesel geschwärmt, wie reibungslos das immer alles gelaufen war! Und das, obwohl die Amtsgerichtsdirektorin nicht mal ein eigenes Auto besaß.
    War sie jedes Mal mit dem Taxi zur Residenz gefahren oder hatte sie einfach dem ärztlichen Urteil der Ramona Dietz vertraut und faul, wie sie nun mal war, einfach alle Betreuungsanträge durchgewunken, ohne sich die Kandidaten persönlich anzusehen, wie es ihre Pflicht gewesen wäre? Der Fickel hatte vor nicht langer Zeit von einem ähnlich gelagerten Fall gelesen, in dem ein Richter wegen Rechtsbeugung zu drei Jahren Haft verurteilt worden war.
    Wenn das rausgekommen wäre, dann wäre die Driesel am Ende ihrer Laufbahn in Untermaßfeld gelandet, anstatt an der Seite vom Amthor ihren Ruhestand als Weinbaupionierin zu genießen. Trotz seines sedierten Zustandes fühlte der Fickel also eine gewisse menschliche Enttäuschung, als er das reglose Gesicht der Driesel sehr nah vor sich sah, die ihn mit kalten Blicken musterte. Aber er wusste inzwischen auch gar nicht mehr so genau, ob er das alles wirklich erlebte oder nur träumte.

XI
    Der Fickel hätte wohl noch gut und gerne dreißig, vierzig oder vielleicht sogar fünfzig Jahre in der Thüringer-WaldResidenz weiter vor sich hin gedämmert, wenn der Kriminalrat Recknagel kein logisches Problem mit den Muttern gehabt hätte.
    Jeder andere hätte vermutlich nach dem Tod vom Hager und den aufgefundenen Abschiedsbriefen die Akte zugeklappt und wäre zur Tagesordnung übergegangen. Nicht so der Recknagel. Irgendetwas hatte ihm bei der ganzen Geschichte von Anfang an nicht in den Schädel gewollt. Wieso war der Hager nach dem Verfassen seiner Abschiedsbriefe zunächst nach Hause gefahren und hatte erst am nächsten Morgen auf dem Weg zur Arbeit seinem Leben ein Ende gesetzt? Hatte er sich noch von der Familie verabschieden wollen? Ein aufgeschobener Selbstmord war sicher noch kein Grund, alles infrage zu stellen, aber der Kriminalrat war dadurch schon mal sensibilisiert. Und als er den Bericht der KTU über den Unfall vom Hager auf dem Tisch hatte, da begannen die Zweifel in seinem Kopf zu sprießen wie der Bärlauch im Englischen Garten. Noch konnte er nicht sehen, woher das kam, aber irgendwas stank zum Himmel.
    Der Van war durch den Aufprall fast vollständig zerstört worden. Trotzdem wurden sämtliche Einzelteile im Umkreis des Einschlagkraters gefunden – ausgerechnet bis auf jene Muttern, die das rechte Vorderrad an der Achse gehalten hatten. Die hatten sich offenbar bereits vorher gelöst – oder aber: Sie waren gelöst worden! Und da fragt man sich doch: Welcher vernünftige Selbstmörder braucht schon den Nervenkitzel, die Muttern seines Vorderrades zu lockern, um dann mit knapp zweihundert Sachen über die Autobahn zu brettern? Unter allen denkbaren Varianten, sich das Leben zu nehmen, rangierte diese Methode sicher auf einem relativ abgeschlagenen Platz.
    Aber wenn der Hager sich nicht selbst umgebracht hatte, dann musste das jemand anders besorgt haben; jemand, der Zugang zu seinem Büro hatte, wo sich die Abschiedsbriefe befunden hatten – die
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