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Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
Autoren: Hans-Henner Hess
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halbdunklen Flur und die Treppe gemeistert hatte und schließlich an der Gittertür ankam, stand er plötzlich der Ramona Dietz gegenüber, die jetzt überhaupt nicht mehr freundlich und beflissen aussah, hinter ihr stand der Man in Black.
    »Ich hab’s doch gesagt, er will sie entführen«, krächzte der alte Kauz.
    »Wo wollen Sie hin?«, fragte die Ärztin streng.
    »Wir kündigen«, erklärte der Fickel knapp und drängte sich beschleunigten Schrittes an den beiden vorbei. Doch da tauchten plötzlich die zwei Schwergewichtsboxer vor ihm auf, die kürzlich den Buckligen auf dem Friedhof eingefangen hatten. Offenbar war der Fickel bereits erwartet worden. Leider hatte er jetzt die Frau Schmidtkonz auf der Schulter und konnte seine Sprintfähigkeiten, die ihn insbesondere auf den ersten zehn Metern in der Eisrinne immer ausgezeichnet hatten, nicht unter Beweis stellen.
    Just in dem Moment, als der Fickel in Kapitulationsverhandlungen eintreten wollte, spürte er einen Stich im Hals, und kurz darauf wurden ihm die Knie weich wie Softeis. Irgendwer nahm ihm die Schmidtkonz von den Schultern, sonst wäre er gleich zusammengebrochen. Er sah noch die Spritze in der Hand der Ramona Dietz, dann versank alles um ihn herum in einem Nebel, der beinahe noch dichter war als der, der für gewöhnlich dem Auspuff seines beigebraunen Wartburgs 353 Tourist entwich.
    Der Zustand war dem vertrauten Gefühl, einen in der Krone zu haben, sehr ähnlich, allerdings fehlte irgendwo das Euphorische daran. So sachlich und nackt fühlte sich der Rausch im Grunde ziemlich schal an. Der Fickel spürte, wie er von den beiden Schwergewichtsboxern hochgehoben und die Treppe hinaufgetragen wurde. Da war er wieder in dem halbdunklen Flur!
    Nur warum war er bloß so müde, so unendlich müde? Er war beinahe froh, als er sich im Bett neben dem rastlosen Schachspieler wiederfand und sich endlich ausruhen durfte. Endlich von allem ausruhen, einfach schlafen, nur schlafen …
    Im Chaos seines getrübten Bewusstseins erschien an seinem Bett, ob real oder als Ausgeburt seiner verlangsamten Fantasien, der Exner. Da dachte der Fickel: Sieh an, jetzt hat dein ehemaliger Staatsbürgerkundelehrer doch noch die Kontrolle über dich übernommen. Und als dann auch die Ilona in sein Zimmer kam, hätte er gern gesagt: Sexual- und Sterbebegleitung aus einer Hand – wie praktisch! Doch er spürte weder Panik noch Wut. Alle Empfindungen waren wie weich gespült, aber die Gedanken hatten alle Zeit der Welt, im Schneckentempo weiterzukriechen.
    Draußen wurde es dunkel und wieder hell, ohne dass sich an seiner Situation drinnen etwas änderte. Immerhin fand er es in einer winzigen autonomen Enklave inmitten seines erlahmten Bewusstseins merkwürdig, dass die Driesel an ihrem letzten Arbeitstag ausgerechnet in der Residenz auftauchte, um für den Fickel einen Betreuer zu bestellen, wo er doch vor Kurzem noch gesund und munter mit ihr auf der Terrasse gesessen und Spuckkuchen gegessen hatte!
    Wie war sie denn überhaupt hierhergekommen in dieses abgelegene Heim, so ganz ohne Auto und ohne Fahrerlaubnis? Und jetzt, da es natürlich zu spät war, fiel dem Fickel endlich auch auf, dass die Driesel für eine Frau wirklich auf großem Fuße lebte, nicht nur finanziell gesehen, sondern gewissermaßen auch podologisch. Wenn sogar der Fickel mit seinen Plattfüßen in ihre Gummistiefel passte, mussten die wohl Größe zweiundvierzigeinhalb haben. Ausgerechnet!
    In den glimmenden Funken seiner Erinnerungen erschien ihm nun seine alte Kollegin Driesel, wie sie neulich viel zu spät und etwas abgehetzt zu ihrem eigenen Festbankett erschienen war, um sich mit Hirsch vollzustopfen, in ganz anderem Licht. Und der Fickel hatte sich noch gewundert, wie gleichmütig sie den möglichen Tod der Kollegin Kminikowski kommentiert hatte. Und dann war da schließlich noch die rätselhafte dritte DNA -Spur an der Robe der Kminikowski gewesen, die weder dem René noch einem Teilnehmer der Reihenuntersuchungen hatte zugeordnet werden können – etwa aus dem einfachen Grund, weil dazu nur die Meininger aufgerufen waren und nicht die Meininger innen ? So ist das mit der Gleichberechtigung: Wenn man sie mal brauchte …
    Doch es war seltsam. Unter dem Einfluss der Medikamente konnte sich der Fickel einfach nicht ärgern, nicht einmal über sich selbst. Obwohl er sich bei den Ermittlungen wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert hatte! Jetzt, in diesem Krankenbett, zurückgeworfen auf sich selbst,
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