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Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
Autoren: Hans-Henner Hess
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anstatt einen Verhandlungstermin anzusetzen oder die Sache im schriftlichen Verfahren zu bescheiden, weiter auf Zeit gespielt und sich mit sinnlosen richterlichen Verfügungen um die Urteile herumgedrückt.
    Nach und nach musste der Papierberg in Hagers Büro immer weiter angeschwollen sein wie der süße Brei in Grimms Märchen. Irgendwann hatte er sogar damit begonnen, ganze Aktenkonvolute auszulagern. Allein in seinem Autowrack hatten Recknagels Leute zwei große Umzugskartons mit Prozessvorgängen gefunden, beziehungsweise deren Asche.
    Offenbar hatte der Hager den Plan verfolgt, sich noch irgendwie über seine Probezeit retten. Doch als er kürzlich einmal krank gewesen war, weil er sich bei seiner Tochter mit Scharlach angesteckt hatte, war es um seine Heimlichtuerei geschehen gewesen. Seine Vertretungsrichterin, die Kminikowski, hatte Einblick in seine laufenden Prozesse genommen – und da hatte sie natürlich prompt festgestellt, dass der Hager sich um seine Arbeit drückte. Doch bevor sie ihn vor aller Welt bloßstellen konnte – soweit die Tatrekonstruktion vom Recknagel –, hatte der Hager seine Kollegin vor dem Festbankett im Park abgefangen und auf sie eingeredet. Da sie sich anscheinend geweigert hatte, die Angelegenheit kollegial diskret zu regeln, hatte der Hager – ganz im Gegensatz zu seiner sonstigen Gewohnheit – kurzen Prozess mit ihr gemacht.
    Als der Kriminalrat seinen Bericht beendet hatte, war es mucksmäuschenstill in der Baude. Nur das leise Wimmern der Richterin Pörtje, die das alles nicht mehr mit anhören konnte und sich die Ohren zuhielt, durchbrach die Stille.
    Als Erste fasste sich die scheidende Amtsgerichtsdirektorin Driesel und meinte mit einer Spur Selbstanklage: »Hätte ich das nur geahnt!« Wenn man’s recht bedachte, hatte der Kollege in letzter Zeit doch ziemlich gestresst gewirkt. Aber am Tisch herrschte Einigkeit, dass sich da niemand Vorwürfe zu machen brauchte. Wenn einer wie der Hager psychisch gestört war und es drauf anlegte, die Kollegen hinter die Fichte zu führen, was ließ sich dagegen schon ausrichten?
    Schließlich war es der Amtsgerichtsdirektorin Driesel vorbehalten, eine Lokalrunde auf den seligen Kollegen Hager auszurufen und ihm, unterbrochen von den Schluchzern der hysterischen Sozialrichterin Pörtje, ein paar liebevolle und versöhnliche Worte ins Jenseits hinterherzurufen: Prrrost!
    Über all den Neuigkeiten war es kaum aufgefallen, dass der Fickel an diesem Abend überhaupt nicht mehr auftauchte. Zumal die Driesel zu berichten wusste, dass er noch etwas Wichtiges zu erledigen gehabt habe. Und später bekam der Rainer Kummer ja auch noch diese SMS von ihm mit dem Wortlaut: »Bin bis auf Weiteres im Urlaub. F.«

X
    Doch der Fickel war keineswegs im Urlaub, jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne. Denn als er nach seinem überstürzten Aufbruch bei der Driesel endlich in der ThüringerWald-Residenz angekommen war, hatte er die Tür seiner Vermieterin verschlossen vorgefunden und sich besorgt auf die Suche gemacht. Und wieder irrte er fast eine halbe Stunde lang in dem Gebäude herum, aber er fand weder die Ramona Dietz noch die Ilona, noch sonst eine Pflegekraft, die des Deutschen mächtig war. Immerhin traf er in der Cafeteria Johnny Cash. Der war auf die Frau Schmidtkonz nicht sonderlich gut zu sprechen, weil sie ihn mit dem King of Rock »hintergangen« hatte. Und nach allem, was man hörte, war sie in den dritten Stock verlegt worden.
    »Zu den Beknackten?«, fragte der Fickel alarmiert, und Cash nickte und meinte: »That’s the way it goes«.
    Da war der Fickel im vorliegenden Fall dezidiert anderer Meinung. Er fragte den alten Country-Barden, ob er den Trick mit dem Draht und der Tür noch einmal wiederholen könne, und der antwortete launig, er könne schon, aber ob er auch wolle … Und guck mal einer an: In der nächsten Sekunde fand sich der Fickel mit dem »alten Knacker« in einer wilden Feilscherei wieder, dass ihm fast Hören und Sehen verging! Fünfzig Euro musste er schließlich dafür berappen, dass Johnny Cash ihm in nicht weniger als zehn Sekunden die Tür im Treppenhaus öffnete. So hatte er sich immerhin eine halbe Stunde Sonderservice bei Sveti oder Slavi verdient, als kleine Entschädigung für die Flatterhaftigkeit der Frau Schmidtkonz.
    Nachdem sich der Fickel im Halbdunkel des dritten Stockwerks orientiert hatte, zückte er sein Handy, um für alle Fälle die Zustände in den Zimmern filmisch zu dokumentieren. Denn
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