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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck
Autoren: Philip Tamm
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Garten ist mein Neffe Lukas, elf Jahre alt, damit beschäftigt, die Katze meiner Eltern in die Regenwassertonne zu werfen, während Moritz, neun Jahre, einen Eisenrost zum oben Drauflegen bereithält. Haha, echt witzig. Als Nächstes werden sie vermutlich dem Hund eine Stange Dynamit in den Hintern schieben und danach im Taubenschlag der Nachbarn Rattengift ausstreuen.
    »Ach, Georg«, sage ich versöhnlich. »Du hast Recht. Mit einer Familie wäre ich bestimmt besser dran.«
    Keine Missverständnisse jetzt. Ich habe nichts gegen Familien, und erst recht nichts gegen meine eigene. An der schätze ich zum Beispiel die klare Rollenverteilung ihrer Mitglieder:
    Mein Vater weiß alles.
    Meine Mutter stört alles.
    Meine kleine Schwester darf alles.

    Mein kleiner Bruder kann alles.
    Und ich, ich sollte alles einmal besser machen.
    Ich bin halt das älteste von uns Kindern, und damit bin ich derjenige, der alles als Erster gemacht hat - laufen, sprechen, komasaufen. Und ich war darum auch der Erste, der alles falsch gemacht hat. So sieht es jedenfalls meine Mutter. Und ich habe es ja gerade mal wieder bewiesen.
    Katja meinte vor längerer Zeit einmal zu mir, ich wäre genau wie mein Vater.
    »Das ist Unsinn«, protestierte ich.
    »Doch. Du bekommst Angst, wenn man mit dir über etwas wirklich offen reden möchte.«
    »Ich habe keine Angst davor. Ich mag es einfach nur nicht.«
    »Das ist das Gleiche.«
    »Dinge nicht zu mögen heißt also, Angst vor ihnen zu haben? Dann habe ich also Angst vor Rucola-Salat, Kohlrabi und Pizza mit Gorgonzola?«
    »Siehst du, genau das meine ich. Kaum wird es ernst, weichst du aus.«
    Der Lichtblick in unserer Familie ist meine Schwester Bea. Sie ist siebenundzwanzig, also zehn Jahre jünger als ich, und genießt als Nesthäkchen unsere besondere Fürsorge. Dabei ist sie eigentlich die Coolste von uns. Sie arbeitet für eine Plattenfirma und kennt eine ganze Menge berühmter Leute.
    Ich finde Bea hinten im Garten bei der alten Laube. Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange und sagt: »Ganz schöner Mist, das mit Katja, was?«
    »Ach, ich werde es schon aushalten«, sage ich tapfer. »Außerdem betrachte ich es nur als eine Art Beziehungsurlaub. Sie kommt zu mir zurück. Da bin ich mir ganz sicher.«

    Sie lacht. Ich lege meinen Arm um ihre Schultern, und gemeinsam setzen wir uns auf die Gartenbank. Ich erzähle Bea von Katjas Auszug und von Andys tollkühnem Plan. Sie hört mir mit offenem Mund zu, lacht dann laut auf und sagt: »Andy ist wirklich der verrückteste Typ, den ich kenne. Aber vielleicht hat er ja Recht mit dem, was er sagt.«
    »Du glaubst, dass es hinhauen könnte?«
    »Klar, schließlich fußt das Ganze auf einer soliden psychologischen Grundlage. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass Katja dich nur einer Art Test unterziehen möchte. Immerhin seid ihr seit acht Jahren zusammen, und niemand, auch sie nicht, wird daran zweifeln, dass ihr eigentlich gut zueinanderpasst!«
    »Willst du ihr das nicht auch noch einmal erzählen?«
    »Klar, wenn du willst, rufe ich sie an.«
    Ich winke ab und dann plaudern wir noch über alles Mögliche andere. Nebenbei muss ich daran denken, dass es eigentlich gar keinen Grund dafür gibt, schlecht drauf zu sein. Schließlich habe ich nicht gelogen, als ich gegenüber Bea von Beziehungsurlaub gesprochen habe. Genau das ist es nämlich. Ich bin mir wirklich zu hundert Prozent sicher, dass Katja zu mir zurückkehren wird. Vermutlich sogar ohne Andys Plan. Der beschleunigt das Ganze nur ein wenig, aber das ist ja auch nicht verkehrt.
    Bea und ich kehren zu den anderen zurück. Wir setzen uns an den Tisch, wo mein Bruder gerade seinen Söhnen erklärt, dass Schneckengift zwar für den Salat ist - aber nicht für den Salat, der bereits mariniert und servierbereit auf dem Tisch steht. Mein Vater trägt eine riesige Platte mit Grillgut auf. Dank einiger Kölsch und einem konstanten Strom beschwichtigender
Worte von meiner Schwester verbringe ich einen entspannten Abend.
    Sogar der Abschied ist versöhnlich. Mein Bruder ist so nett, mir die Nummer eines Psychiaters rauszuschreiben, meine Schwägerin empfiehlt mir mit scheinheiligem Grinsen die Einschläferung, meine Mutter fragt, ob es mich stören würde, wenn sie beim nächsten Grillen Katja einlädt (und mich dann natürlich nicht) und mein Vater steckt mir hundert Euro zu, damit ich mir einfach mal etwas Gutes gönne. Als Trost. Als ich ihn frage, ob er damit einen Besuch im Puff meint, beginnt
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