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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck
Autoren: Philip Tamm
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Rolle, dass wir bei ein paar Dingen verschiedener Meinung waren: ich DVD, sie Kino; ich Pizza, sie Pilates; ich Daniel Craig, sie Sean Connery. Dafür hatten wir schließlich jede Menge Gemeinsamkeiten: Wir lieben beide faule Nachmittage am Baggersee, machen gerne Urlaub in der Türkei, mögen Grillpartys auf dem Balkon und mit Freunden Formel 1 gucken (zugegeben, mit meinen Freunden). Auf einer Skala von hundert möglichen Beziehungspunkten hätten wir satte fünfundneunzig bekommen.
    Vor ungefähr drei Monaten aber lernte Katja einen anderen Mann kennen. Und auf einmal war alles anders. Das muss man sich mal vorstellen! Acht Jahre lang war ich ihr Kuschelbär, der Mann, dem sie alles anvertraut hat und der ihr sogar die Slipeinlagen im Supermarkt kaufen durfte. Und dann sagt sie eines Tages: »Es tut mir leid, Stefan. Er heißt Raimund und er hat eine ganze Menge, was du nicht hast.«
    »Was denn?«
    »Okay. Ich korrigiere mich. Er hat eine Menge nicht , was du hast. Einen Bauch zum Beispiel. Oder das Phlegma eines Faultiers. Oder eine Jahreskarte für den FC Köln.«
    Sie sagte noch eine ganze Reihe weiterer Dinge, an die ich mich nicht mehr so genau erinnere. Es ging in die Richtung, dass dieser Raimund Ziele im Leben hätte, kultiviert wäre und wüsste, was er wollte. Ich fand das unfair. Zugegeben, ich war nicht der Motor in Katjas Leben. Aber ich war der Airbag. Ich habe sie beschützt. Sie konnte sich auf mich verlassen. Und auf einmal soll das alles nichts mehr wert sein?
     
    15:24 Uhr: Meine Euphorie ist verflogen und die erste Flasche Bier ist leer. Und ich genauso.

     
    15:29 Uhr: Gehe in die Küche und mache mir ein dreifach belegtes Sandwich mit Schinken, Scheiblettenkäse, Mayo und Ketchup. Essen ist der Sex des Alters. Und ich bin jetzt alt. Fühle mich jedenfalls so. Siebenunddreißig Jahre alt und Single.
     
    17:47 Uhr: Liege seit zwei Stunden vor dem Fernseher. Da Samstagnachmittag ist, laufen ausschließlich amerikanische Teenagerserien, die vom Styling der Hauptpersonen her kaum von den Werbespots zwischendurch zu unterscheiden sind. Passenderweise geht es in allen Sendungen ausschließlich darum, dass irgendwer von irgendwem verlassen wird. Allerdings ist das bei den Betroffenen nicht wirklich ein Problem, weil sie alle unglaublich gut aussehen und dazu smart und stinkreich sind. Sie finden darum noch in derselben Folge jemand Neues, den sie dann höchstwahrscheinlich in der nächsten Woche ihrerseits stehen lassen werden.
    Das ist der Unterschied. Ich bin eben nicht unglaublich gut aussehend, gebildet und stinkreich, sondern eher Durchschnitt: einigermaßen ansehnlich, nicht dumm und auch nicht Hartz IV. Aber das ist eben auch schon alles. Die Chancen, dass ich in der nächsten Folge meines ganz persönlichen Lebens jemanden kennenlerne, stehen nicht gut. Weil ich, wenn ich ehrlich bin, niemand anderes kennenlernen will. Ich will Katja.
     
    18:03 Uhr: Das Telefon klingelt. Ich hechte mit Überlichtgeschwindigkeit an den Apparat. »Katja? Bist du es? Natürlich verzeihe ich dir. Du kannst jederzeit wiederkommen. Nein, wir müssen nicht drüber reden. Aber beeil dich!«

    In der Leitung entsteht eine kurze Pause und dann sagt eine mir wohlbekannte Stimme: »Was ist los, Alter? Hast du letzte Nacht deine letzten Gehirnzellen beim Onlinepokern verzockt? Was soll der Spruch?«
    »Hallo, Andy!«, sage ich und räuspere mich verlegen.
    »Also sag schon, was sollte das gerade?«
    Andy ist das penetranteste Lebewesen seit Erfindung der Filzlaus, eine Mischung aus Michel Friedman, Ingo Appelt und Jürgen Milski aus dem Big-Brother-Container. Ach ja, und ganz nebenbei ist Andy auch noch mein bester Freund. »Katja ist weg. Sie hat endgültig Schluss gemacht.«
    »Mann, Alter, kein Scheiß?!«
    »Nein.«
    Für ein paar Sekunden wird es still in der Leitung, und ich denke überrascht, dass Andy doch zu so etwas wie Mitgefühl in der Lage ist. Dann aber sagt er: »Das ist ja total geil, Alter! Dann können wir heute Abend losziehen und dir was Neues suchen! Super. Ich bin gegen acht Uhr bei dir. Mann, Stefan. Endlich können wir wieder so richtig auf die Kacke hauen. Du und ich! So wie früher. Das wird eine Fiesta!«
    »Lass stecken, Andy. Ich will einfach meine Ruhe haben.«
    »Ich sag Bernd Bescheid. Der kommt garantiert auch mit.«
    »Andy! Rede ich Chinesisch?«
    Aufgelegt.
     
    20:28 Uhr: Andy und Bernd kommen in meine Wohnung und sehen mich ähnlich besorgt an wie die Crew von Emergency Room
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