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Herr Möslein ist tot (German Edition)

Herr Möslein ist tot (German Edition)

Titel: Herr Möslein ist tot (German Edition)
Autoren: Tatjana Meissner
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brauche. »Doch, ich kenne dich bereits über sechs Jahre.« Und dann erzähle ich Carsten unsere ganze Geschichte von der Suche in einem weltweiten Single-Netz, unserem ersten Treffen und unserer Hochzeit der Herzen! Carsten hört konzentriert zu. Ich sehe keinen abfälligen Blick, kein verräterisches Zucken in seinem Mundwinkel. »Und wegen unseres außergewöhnlichen Kennenlernens im Internet habe ich sogar angefangen, Bücher zu schreiben!«, beende ich meinen Vortrag euphorisch. Carsten schenkt uns nach. Er ist bestimmt verwirrt, glaube ich und hoffe sehr, dass er trotzdem in der Lage ist, Unglaubliches zu denken.
    Carsten stupst sein Weinglas an meins und sagt: »Wenn wir uns heute kennenlernen, kannst du das Buch nicht mehr schreiben!«
    Als sein Gedanke mein Großhirn erreicht, beginnt mein Puls zu rasen und hört damit auch nicht auf, weil mir endlich klar wird, dass diese Kleinigkeit mein gesamtes Leben verändern könnte. Beruflich und privat. Jetzt stößt sogar der Alkohol, den ich heute schon getrunken habe, an seine Grenzen. Wie ich es auch drehe und wende, die Erkenntnis, die sich in meinem Hirn bahnbricht, ist nicht wegzudiskutieren: Meine Internet-Partnertsuche hat mein Leben grundlegend verändert. Sie war nicht nur der Grundstein für mein erstes Buch und den Erfolg als Comedian, sondern auch für eigene, wichtige Lebenseinsichten, die mir endlich ein entspanntes Zusammenleben mit einem Partner ermöglichten. Ja, die Internet-Erlebnisse sind ein von mir bisher völlig unterschätzter Bestandteil unseres gemeinsamen Lebens, unserer Erfahrungen und unseres Glücks. Wie irrwitzig! Ich schaue Carsten entgeistert an. Hinter seinen Augen erblicke ich genau in diesem Moment den empathischen Mann, der er eines Tages sein wird, und hinter seinem Rücken sehe ich seine Forster Freundin Puffel. Ich kann nichts mehr sagen, stelle einfach nur mein Glas ab und dränge mich grußlos ins Vereinigungsgetümmel.
    Plötzlich umfasst Ingo meine Schulter. Er muss sich durch die Menschen gedrängelt haben. Er sagt einfach: »Komm mit!«, und schiebt mich mit aller Kraft Richtung Ausgang. Es rauscht in meinen Ohren. Ich höre nichts mehr, außer Daliah:
    »Willst du mit mir gehn,
    wenn mein Tag schon Nachtwind spürt.
    Wenn ich nicht mehr Vagabund sein will,
    baust du mein Haus und ruhst du
    mit mir vom Leben aus.«

Vom Ich zum Wir
    Warme Atemluft streift meine Nase. Da Pauli auch noch zu schlafen scheint, öffne ich meine Augen vorerst nicht. Wusste gar nicht, dass kleine Kinder so schlecht aus dem Mund riechen können. Ich drehe mich weg, was automatisch meinen Kreislauf in Bewegung bringt. Wäre mein Rücken nicht so jung, hätte diese Matratze mir schon nach zwei Nächten zu einem akuten Bandscheibenvorfall verholfen, denke ich müde. Irgendetwas drückt hart in meine Wange. Bestimmt ein Bauklotz von Pauli. Ich schmeiße ihn aus dem Bett. Es kracht und poltert, ein kläglicher Schrei dringt an mein Ohr. Gleichzeitig springt mir ein schweres Wollknäuel auf die Brust. Chica. Chica? Ich bin zurück! Wirklich? Verstört schaue ich mich um. Ich sitze auf dem roten Sofa meines Arbeitszimmers. Die den Fernseher beherbergende Kommode ist geöffnet. Der DVD -Player blinkt. Vor mir auf dem Fußboden liegt die in zwei Teile auseinandergefallene Fernbedienung. Ich schaue ungläubig an mir herab. Die sich unter dem braunen Velour-Hausanzug abzeichnende Brust scheint größer als gestern, der Bauch wölbt sich unter dem Hosengummi. Ich krieche auf allen Vieren zu dem links von mir an der Wand angebrachten Probenspiegel und schaue in ein von Liegefalten zerfurchtes Gesicht, auf dessen linker Wange sich die Knöpfe der Fernbedienung deutlich abzeichnen. Diese galoppierende Hautalterung erschreckt mein Hirn, aber mein Herz hoppelt fröhlich, als ich mich aufrichte und meine Vermutung zur Gewissheit wird. Ich bin wieder da!
    Ich hüpfe glücklich durch den Raum und choreografiere spontan einen Freudentanz. Chica heult auf und flüchtet in die hinterste Ecke des Raumes. Ich ziehe vor dem Spiegel mit beiden Händen die Jacke des Hausanzuges hoch und freue mich über mein schlaffes Bindegewebe, das im Takt meiner Freudensprünge nachschwingt. Juchuuu! Mein Körper ist wieder so alt wie mein Kopf! Ich halte schnaufend inne. Aber wo ist Carsten? Statt alle Türen in der Wohnung aufreißend nach ihm zu suchen, hält mich die Angst vor der Ungewissheit zurück. Ich suche nach verräterischen Details in meinem Arbeitszimmer, die mir sagen
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