Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
und endlich im Großen Ozean die Insel X. zu erreichen.
    Als der Abend herankam, verbarg sich die Sonne hinter einem blutroten Horizonte. Das Meer leuchtete rings um die »Epouvante« auf, die bei ihrer Fahrt eine Wolke von Funken aufzuwirbeln schien. Da mußte man wohl – wie die Matrosen sagen – ein »Hundewetter« erwarten.
    Das war sicherlich auch Roburs Ansicht. Statt auf dem Verdeck bleiben zu dürfen, mußte ich hinunter in meine Kabine, deren Lukendeckel sich über mir schloß.
    Einige Augenblicke darauf erkannte ich aus dem Geräusch, das an Bord entstand, daß der Apparat jetzt untertauchen sollte. Wirklich schwamm er fünf Minuten später in dem schon in mäßiger Tiefe ganz ruhigen Wasser.
    Ebenso durch die Ermüdung des Körpers wie durch meine stete Besorgnis erschöpft, versank ich bald in tiefen Schlaf… diesmal in einen natürlichen Schlaf, der nicht durch eine starkbetäubende Arznei herbeigeführt war.
    Bei meinem Erwachen – nach wieviel Stunden konnte ich nicht sagen – war die »Epouvante« noch nicht nach der Oberfläche des Meeres zurückgekehrt.
    Das sollte jedoch sehr bald geschehen. Das Licht drang durch die kleinen Pforten wieder unbehindert ein, und gleichzeitig machten sich, infolge des sehr starken Wellenganges, Stampf-und Schlingerbewegungen bemerkbar.
    Ich konnte bald wieder neben der Luke Platz nehmen, und mein erster Blick richtete sich natürlich auf den Horizont.
    Von Nordwesten stieg jetzt ein Gewitter auf; schwere Wolken, zwischen denen blendende Blitze hin und her zuckten, wälzten sich wie kämpfend empor. Schon hörte man aus der Ferne das Rollen des Donners, der durch das Echo im Luftmeer einen lang anhaltenden Widerhall fand.
    Ich war verwundert – nein, mehr als verwundert – erschreckt von der Schnelligkeit, womit das Gewitter zum Zenit hinaufzog. Ein Schiff hätte kaum Zeit gehabt, seine Segel zu bergen, um den drohenden Sturm aushalten zu können, so schnell und heftig erfolgte dieser Überfall.
    Plötzlich entfesselte sich der Wind mit geradezu unerhörter Gewalt, als hätte er eine Wand von Dünsten durchbrochen. Augenblicklich erhob sich ein furchtbarer Wogengang. Die empörten Wellen, deren Kämme sich weißschäumend überschlugen, fegten wütend über die »Epouvante« hinweg, und wenn ich mich nicht krampfhaft festgehalten hätte, wäre ich dabei über Bord gespült worden.
    Hier gab es nur eine Rettung: den Apparat sofort wieder zum Taucherboot zu verwandeln und ihn zehn Fuß unter der Oberfläche ruhiges Wasser aufsuchen zu lassen. Dem Wüten des entfesselten Meeres noch länger zu trotzen, das erschien doch unmöglich. Robur blieb auf dem Verdeck, und ich erwartete die Aufforderung, mich in meine Kabine zurückzuziehen; diese Aufforderung erfolgte jedoch nicht, ebensowenig wurde auch irgendwelche Vorbereitung zum Untertauchen getroffen.
    Das Auge noch wilder aufflammend, starrte der Kapitän, den dieses Unwetter völlig kalt ließ, gerade hinein, wie um der Elemente zu spotten, da er wußte, daß er von diesen nichts zu fürchten hätte. Noch erschien es dringend, geboten, daß die »Epouvante« untertauchte, ohne nur eine Minute zu zögern, Robur schien sich dazu aber nicht entschließen zu wollen.
    Nein, er bewahrte seine hochmütige Haltung gleich einem Manne, der sich in seinem unbezähmbaren Stolze erhaben über der Menschheit fühlt. Als ich ihn in dieser Haltung beobachtete, fragte ich mich, nicht ohne ein gewisses Schaudern, ob dieser Mann nicht etwa ein phantastisches, aus einer übernatürlichen Welt stammendes Wesen wäre.
    Da tönten aus seinem Munde die folgenden gotteslästerlichen Worte, die ich inmitten des Brausens des Sturmes und des Krachens der Donnerschläge verstand:
    »Ich… ich… der Herr der Welt!… Gleich Gott!… Gleich Gott!«
    Danach machte er ein Zeichen, das Turner und dessen Genosse zu deuten wußten. Es war ein Befehl, und die Unglücklichen, die ebenso wahnwitzig waren wie er, führten ihn ohne Zögern aus.
    Die großen Flügel weit entfaltet, erhob sich das Luftschiff, ganz wie über den Fällen des Niagara. War es damit aber zu jener Zeit den Wirbeln des Kataraktes entgangen, so trug es sein wahnsinniger Flug heute mitten in die Wirbel des Gewittersturmes hinein.
    Der Aviator zog mitten durch die sich kreuzenden Blitze, mitten durch das Krachen des Donners an dem in Feuer stehenden Himmel hin. Er bewegte sich in gottlosem Trotz, könnte man sagen, durch die blendenden Strahlen, jeden Augenblick bedroht, getroffen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher