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Herr der Träume

Herr der Träume

Titel: Herr der Träume
Autoren: Roger Zelazny
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Zufalls dazu verurteilt worden ist, von etwas, das keine Gerechtigkeit kennt.«
    »Das Universum hat die Gerechtigkeit nicht erfunden. Das hat der Mensch getan. Unglücklicherweise muß sich der Mensch im Universum aufhalten.«
    »Ich habe nicht das Universum um Hilfe gebeten, sondern Sie.«
    »Es tut mir leid.«
    »Warum wollen Sie mir nicht helfen?«
    »In diesem Augenblick demonstrieren Sie den Hauptgrund.«
    »Und der ist?«
    »Emotion. Die Sache ist viel zu wichtig für Sie. Wenn sich der Therapeut mit dem Patienten in Phase befindet, ist er narko-elektrisch von den meisten seiner eigenen körperlichen Empfindungen getrennt. Dies ist nötig, weil sich sein Geist völlig der Aufgabe zu widmen hat. Genauso notwendig ist es, daß seine Emotionen einer ähnlichen Suspension unterliegen. Gänzlich ist das natürlich unmöglich, weil man stets irgendwelche Gefühle hat, doch sind die Emotionen des Therapeuten auf ein allgemeines Gefühl des Wohlbefindens beschränkt oder, wie in meinem Fall, auf künstlerische Träumerei. Ihnen aber würde das ›Sehen‹ zu viel bedeuten. Sie befänden sich ständig in der Gefahr, die Kontrolle über den Traum zu verlieren.«
    »Ich muß Ihnen widersprechen.«
    »Natürlich tun Sie das. Aber die Tatsache bleibt bestehen, daß Sie sich dauernd mit dem Abnormalen zu beschäftigen haben müssen. Die Macht einer Neurose ist für neunundneunzig Prozent der Bevölkerung unvorstellbar, weil wir nicht einmal die Intensität unserer eigenen – geschweige denn der der anderen – richtig einzuschätzen vermögen. Deswegen wird ein Neuropartizipant auch niemals einen hochgradigen Psychopathen behandeln. Die wenigen Pioniere auf diesem Gebiet befinden sich heute selbst in Behandlung. Es muß so sein, als befände man sich in einem Wirbelsturm. Wenn der Therapeut bei einer intensiven Sitzung die Oberhand verliert, wird er zum Geschaffenen anstatt zum Schöpfer. Die Synapsen lösen eine Kettenreaktion aus, wenn Nervenimpulse künstlich verstärkt werden, und der Überleitungseffekt ist augenblicklich.
    Vor fünf Jahren bin ich viel Ski gelaufen, und das deshalb, weil ich an Klaustrophobie litt. Erst nach sechs Monaten war ich geheilt. Und all dies wegen eines winzigen Augenblicks der Unachtsamkeit. Den Patienten mußte ich an einen anderen Therapeuten abgeben. Dabei handelte es sich nur um einen kleineren Schaden; sollten Sie sich von der Traumumgebung beeinflussen lassen, so landen Sie bis zum Ende Ihres Lebens in einem Sanatorium.«
    Sie leerte ihr Glas, und Render schenkte nach. Sie hatten die Stadt weit hinter sich gelassen, und die Straße lag offen vor ihnen. Zwischen den fallenden Schneeflocken nahm die Dunkelheit immer mehr ab. Der Flitzer gewann an Geschwindigkeit.
    »Na schön«, gab sie zu. »Vielleicht haben Sie recht. Aber ich glaube immer noch, daß Sie mir helfen können.«
    »Wie?« fragte er.
    »Gewöhnen Sie mich an optische Eindrücke, so daß die Bilder den Reiz des Neuen und die Gefühle an Intensität verlieren. Betrachten Sie mich als Patienten und befreien Sie mich von meiner Seh-Angst. Dann verlieren Ihre Argumente ihre Gültigkeit. Ich werde mein Training aufnehmen können und mich ganz auf die Therapie konzentrieren. Ich werde die Lust am Sehen zu etwas anderem sublimieren.«
    Render dachte nach. Vielleicht wäre es tatsächlich möglich, aber es würde ein schwieriges Unterfangen sein. Es wäre auch ein Meilenstein in der Geschichte der Psychotherapie.
    Niemand war wirklich dafür qualifiziert, denn niemand hatte es jemals versucht. Aber Eileen Shallot war ein Unikum, denn außer ihr gab es wohl kaum einen anderen Menschen mit dem nötigen technischen Wissen, gepaart mit ihrem Gebrechen.
    Er leerte sein Glas und füllte beide wieder.
    Er dachte noch immer über das Problem nach, als ein Schild mit der Aufschrift Koordinaten aufleuchtete und das Fahrzeug auf einem Rastplatz anhielt. Er stellte den Summer ab und dachte lange Zeit nach.
    Er leerte die Flasche und warf sie in den Abfallbehälter.
    »Wissen Sie was?« fragte er endlich.
    »Ja?«
    »Es könnte einen Versuch wert sein.«
    Er schwang seinen Sitz herum und beugte sich vor, um die Koordinaten einzugeben. Sie saß bereits mit dem Gesicht nach vorn, und als er die Knöpfe drückte und der Flitzer wendete, küßte sie ihn. Unterhalb der dunklen Brille waren ihre Wangen feucht.
     
    Der Selbstmord berührte ihn stärker als es der Fall hätte sein sollen, und Mrs. Lambert hatte am Tag zuvor ihre Sitzung abgesagt.
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