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Herr der Schlangeninsel

Herr der Schlangeninsel

Titel: Herr der Schlangeninsel
Autoren: Stefan Wolf
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die
Tasche.
    Trotz später Stunde drängte sich ein
Dutzend Nachtbummler vor dem griechischen Imbiß.
    Edgar zündete sich eine Zigarette an,
wobei er mit dem Körper die Tasche abschirmte.
    Als er dann zum Koffer griff, hatte er
ihn bereits über die Tasche gestülpt.

    Weg war sie. Wie von Zauberhand.
    Sein Blick wieselte umher. Nein,
niemand achtete auf ihn.
    Der Grieche — er mochte Mitte Dreißig
sein, hatte schwarze Locken und ein starkes Gebiß — redete mit einem Landsmann.
    Edgar mußte etwas tasten mit dem
Greifwerkzeug an seinem Koffergriff. Dann faßte er die Bügel der Tasche.
    Donnerwetter! — die war aber schwer!
    Edgar strebte zum Ausgang, ohne sich
umzublicken.
    Vor dem Bahnhof war die Nacht so blau
und tropisch wie auf Kreta oder einer anderen griechischen Insel.
    Edgar kannte etliche. Sein Geschäft war
einträglich. Er klaute geschickt und hatte noch nie Probleme gehabt — weder mit
der Polizei noch mit den Bestohlenen. Daß er viermal im Jahr Urlaub machte, war
selbstverständlich. Im Sommer flog er am liebsten nach Griechenland.
    Jetzt schritt er rasch aus. Fünf
Minuten später trat er durch die Tag und Nacht geöffnete Eingangstür jenes
Hauses, in dem er — hofseitig im zweiten Stock — eine Zweizimmerwohnung
gemietet hatte. Sie war nicht schön, aber zweckmäßig, besonders wegen der Nähe
zum Bahnhof.
    Eigentlich, dachte der Trickdieb, müßte
man wenigstens nachts die Tür verriegeln. Muß ich dem Hausmeister mal sagen.
Man denke doch an das Gesindel, das sich hier rumtreibt. Ein Dieb könnte sich
einschleichen.
    Er schloß seine Wohnung auf. Es gab
keine Diele. Man trat gleich in den Wohnraum.
    Edgar stellte die Tasche auf den Tisch
und sein Arbeitsgerät, den Koffer ohne Boden, in die Ecke.
    Drei Minuten später wurde an die Tür
geklopft.
    Edgar erschrak.
    Um diese Zeit! Wer konnte das sein?
Dann fiel ihm die dicke Blondine ein, die seit kurzem nebenan die Wohnung
gemietet hatte. Lina — wie sie sich nannte — arbeitete in einer Bar. Für diesen
Nachtvogel war jetzt heller Tag. Sicherlich hatte sie Licht gesehen und
brauchte Feuer für ihre Zigarette oder die Hilfe eines starken Mannes, weil der
Deckel vom Pflaumenkompott-Glas sich nicht abschrauben ließ.
    Edgar öffnete.
    Vor ihm stand — der Grieche.
    Er grinste mit prachtvollen Zähnen,
schob seinen Strohhut in den Nacken und drückte Edgar mit derber Hand in das
Zimmer zurück.
    „Falls es ein Irrtum ist, Freundchen“,
sagte Nicholas ,Nick’ Klaudonia, „werde ich mich entschuldigen. Und du... Nein,
kein Irrtum.“
    Er blickte zum Tisch. „Dort ist sie
ja.“ Er kickte die Tür hinter sich zu.

    „Was soll das?“ giftete Edgar. „Sie
haben kein Recht...“ Mutlos hielt er inne.
    „Ich sah dich“, grinste Nick, „neben
meiner Tasche. Für Sekunden wurde ich abgelenkt. Nächster Blick: Meine Tasche
ist weg, und du hast es eilig. Hast sie blitzschnell in deinen Koffer gepackt,
wie?“
    Nick hatte den Koffer entdeckt, hob ihn
hoch und nickte anerkennend, als er den fehlenden Boden und das Greifwerkzeug
sah.
    „Nicht schlecht. Aber du verhältst dich
falsch, du Armleuchter. Deine Hast verrät dich.“
    „Sie... Sie sind mir gefolgt?“
    „Wäre ich sonst hier? Ich hätte große
Lust, dir die Knochen zu brechen.“
    „Ich... ich... habe Ihre Tasche
nicht... angerührt.“
    „Weil du dazu noch keine Zeit hattest.
Aber meine Zeit hast du gestohlen.“
    „Häh?“
    Nick sah auf die Uhr. „Deinetwegen habe
ich den nächsten Zug verpaßt. Eben jetzt fährt er ab, der Nachtzug nach
Hamburg. Er hätte mich rechtzeitig zu meinem Kunden gebracht. Vormittags um 11
Uhr — müßte ich dort sein. Jetzt platzt das Geschäft.“
    „Äh... tut mir leid.“
    „Dir wird noch mehr leid tun.“
    Nick trat zum Fenster, wo das Telefon
auf einem Sideboard stand. „Hast du ein Telefonbuch?“
    „Weshalb?“ Edgar fühlte sich
unbehaglich. Aus mehreren Gründen. Vor allem aber, weil dieser Grieche
offensichtlich log. Es gab keinen Zug, der jetzt nach Hamburg fuhr. Nicht von
diesem Bahnhof aus. Edgar kannte den Fahrplan genau.
    „Weil ich die Polizei anrufen will“,
sagte Nick.
    „Bitte nicht! Sie haben die Tasche doch
wieder. Ihnen ist kein Schaden entstanden.“
    „Kein Schaden? Du tickst wohl im
Zickzack, du Dieb! Ich bin Spezialist für Computerreparatur. Für den Auftrag
morgen hätte ich über 4000 Mark verlangt. Wer ersetzt mir die, heh?“ Er starrte
Edgar an, und ein nachdenklicher Ausdruck trat in die schwarzen
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