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Herr der Nacht

Herr der Nacht

Titel: Herr der Nacht
Autoren: Tanith Lee
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von Dämonenart. Die Vazdru jagten die Seelen schlafender Menschen, die schrill schreiend vor den Hunden davonliefen; indes waren es nur die Seelen der Wahnsinnigen und jener, die dem Tode nahe waren, welche die Hunde fangen und reißen konnten, und selbst diese entkamen am Ende immer – es war für die Dämonen bloß ein Sport. Und Sivesch, der keine Erinnerung hegte an das, was er war, und keine anderen Gesetze kannte als die Gesetze der Finsternis, jagte fröhlich und gedankenlos mit seinem Gebieter.
    Schließlich begann Asrharn sich nach der Erde oben zu sehnen. Da nahm er Sivesch ebenfalls mit. Sie reisten natürlich bei Nacht, denn kein Dämon liebte den Tag der Welt. Asrharn stieg aus dem Vulkanschacht auf wie ein Adler, aber er hatte Sivesch in eine Feder an seiner Brust verwandelt. Hinauf in den Himmel flogen sie, und die Feder zitterte an ihm. Dort unten loderten die Krater der Feuerberge, dort oben leuchtete das Gesicht des Mondes, eingerahmt in seinen Himmelsmantel mit den Sternen wie darübergeworfene Diamanten. Ich habe niemals solchen Glanz gesehen wie diesen , dachte Sivesch. Die Fontäne im Garten gibt weder Licht noch Wärme. Er war, obwohl er es vergessen hatte, ein Kind der Erde. Seine sterbliche Seele streckte sich ihr blind entgegen.
    Als Asrharn sah, daß Sivesch an der Welt Gefallen fand, kam er, um viel Zeit in ihr zu verbringen.
    Manchmal pflegten sie in der Tracht von Reisenden die nächtlichen Städte der Menschen zu besuchen und heimlich in königliche Schatzhäuser einzudringen. All die Edelsteine und Metalle, die sie dort fanden, pflegte Asrharn in Haufen von Staub oder welken Blättern zu verwandeln, denn solcherart war sein Vergnügen. Und oft führten sie eine Karawane in der Wüste irre oder ein Schiff, damit es an den Zähnen einer unfreundlichen Küste zerschelle. Doch all diese Dinge waren für Asrharn kindische Spiele; seine Bosheit war von einer weit größeren und bei weitem feineren Art. Indessen gefiel es Asrharn, zu sehen, wie freudig und unbedenklich Sivesch ihm in allem gehorchte und wie geschickt der Jüngling war. Asrharn ging auf ihn ein wie auf ein geliebtes Kind. – Dann eines Nachts, als sie auf ihren Dämonenpferden aus der Unterwelt mit den rauchigen Mähnen die Hügel irgendeines irdischen Königreiches herunterritten, wo sie Feuer und Mord hinter sich gelassen hatten, kamen sie zu einem alten, verschrumpelten Hexenweib am Straßenrand. Sobald sie der Reiter und ihrer fremdartigen Pferde ansichtig wurde, rief sie aus: »Gesegnet sei der Name des Dunklen Gebieters und möge er mir kein Leid zufügen.«
    Worauf Asrharn lächelnd antwortete: »Die Zeit hat dich mit ihren Klauen schon genügend gezeichnet.«
    »Das hat sie wahrhaftig«, jammerte die Hexe und ihre Augen glitzerten gierig. »Will der Dunkle Gebieter mir noch einmal meine Jugend gewähren?«
    Darauf lachte Asrharn kalt: »Ich gewähre nicht oft Bitten, Hexe. Aber obwohl ich dir deine Jugend nicht gebe, sehe ich doch zu, daß du nicht älter wirst«, und ein Blitz zuckte von seiner Hand und streckte die Hexe nieder. Es war niemals weise, einen Dämon um eine Gefälligkeit zu bitten.
    Doch die Hexe starb nicht sofort, und als sie da lag, starrte sie Sivesch an. Sie bemerkte das schöne Gesicht, und da sie vermutete, daß er sterblich war, sagte sie: »Verachte mich, wenn du kannst. Auch du bist ein Narr, Erdgeborener, daß du dein Vertrauen setzt in Dämonenart und eine Stute aus Rauch und Nacht reitest. Was Dämonen lieben, das erschlagen sie zuletzt, und die Geschenke von Dämonen sind Fallstricke. Gehe nirgends hin auf einem Pferd, das schwindet, denn deine Träume werden dich verraten.« Dann fiel sie zurück und sagte nichts mehr.
    Inzwischen war die Morgendämmerung nahe, und Asrharn war ungeduldig, zum Mittelpunkt der Erde zurückzukehren. Aber Sivesch, den die Worte der Hexe seltsam beunruhigt hatten, stieg ab und beugte sich über ihren Körper. Als er da kniete, ließ ihn eine wundersame Blässe am Himmel wieder aufblicken, und am Rand der Hügel sah er ein Glühen wie eine brennende Rose.
    »Was für ein Licht ist das?« fragte er Asrharn verwundert und in Ehrfurcht.
    »Das ist das Licht der Morgendämmerung, das ich verabscheue«, antwortete der Prinz. »Komm, steig auf dein Pferd und laß uns eiligst reiten, denn ich möchte auf keinen Fall die Sonne sehen.«
    Aber Sivesch kniete auf der Erde wie in Trance.
    »Komm nun, oder ich muß dich hierlassen«, sagte Asrharn zu ihm.
    »Bin ich
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