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Herr der Nacht

Herr der Nacht

Titel: Herr der Nacht
Autoren: Tanith Lee
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zusammen, die geschickten zwergenhaften Schmiede der Unterwelt, und ließ sich von ihnen in einer einzigen Nacht einen gewaltigen Palast auf einem hochgelegenen Ort Druhim Vanaschtas erbauen. Er bestand aus Gold, einem Metall, das im allgemeinen nicht in der Gunst von Dämonen stand, und war beleuchtet von tausend vielfarbigen Lichtern und umgeben von einem Burggraben voll vulkanischem Magma. Solch ein Bauwerk hatte kein Gegenstück, nicht einmal unter den mannigfaltigen Zierden der Stadt. Sivesch staunte darüber, aber er konnte seine Gedanken nicht vor Asrharn verbergen, denn das Gold war nicht wie das Gold der Sonne, und das Magma im Schloßgraben wärmte ihn nicht.
    Als nächstes versammelte Asrharn sein Volk zu einem Fest. Er führte Sivesch leicht am Arm und schritt mit ihm durch die Reihen der glitzernden Gäste. »Es ist Zeit, daß du Frauen kostest, mein Lieber. Du mußt dir eine Braut nehmen«, sagte er. »Sieh, hier unter den Vazdru und den Eschva sind die magischsten Schönheiten meines Königreiches. Wähle, und jegliche von ihnen soll dein sein.« Sivesch schaute umher, doch die lieblichen Gesichter der Dämonenfrauen waren wie Papiermasken, ihr schwarzes Haar düster, ihre Augen wie träge Pfühle und die Bewegungen ihrer Gliedmaßen wie die von Schlangen. Er wurde noch bleicher von Qual und konnte nicht antworten. Asrharn strich bloß über sein Haar und lächelte.
    Er ging allein in der Nacht zu dem Hügel, wo er Sivesch schlafend gefunden hatte. Dort nahm er die Gestalt eines schwarzen Wolfes an und grub mit seinen Klauen in der Erde. Nach kurzer Zeit fand er einen kleinen keimenden Samen. Eiligst ergriff er den Samen und huschte in seiner geschwindesten Form, der eines zündenden Blitzes, zurück zur Unterwelt. Dort im dunklen Garten, neben der Fontäne aus Feuer, pflanzte er den Samen in die Erde und sprach bestimmte Worte darüber und streute bestimmte Pulver darauf … Bald darauf ließ er Sivesch rufen.
    Sivesch stand neben dem Prinzen der Dämonen und zuerst sah er nichts, außer der frisch umgegrabenen Erde. Dann breitete sich von der Mitte des Beetes her ein Spalt aus wie ein sich ringelnder Wurm, und nach dem ersten sechs weitere. Kurz darauf kam eine Öffnung zum Vorschein, und heraus drängte sich die Spitze von etwas Wachsendem wie die Schnauze eines Maulwurfs.
    »O mein Geliebter, was ist das?« fragte Sivesch zwischen Schrecken und Faszination.
    »Ich habe eine seltsame Blume für dich gepflanzt«, antwortete Asrharn, und indem er seinen Arm um des jungen Mannes Schultern schlang, hieß er ihn warten und schauen.
    Der Schößling der geheimnisvollen Pflanze kam nun herausgekrochen. Sobald er sich von Erde freigeschüttelt hatte, begannen Blätter und Knospen hervorzusprießen, obgleich sie meist ebenso schnell verwelkten wie sie entstanden. Eine Knospe jedoch schwoll an dem Stengel wie eine Blase, schwoll an zu einer ungewöhnlichen Größe und platzte auf. In ihrem Innern stand eine ausgewachsene Blüte, die in ihrer Form am ehesten dem geschlossenen Kelch der Magnolie glich, die Farbe von blassestem Violett, aber rosenfarben geädert.
    Das war wunderbar genug; der junge Mann hielt den Atem an. Aber was danach kam, war noch wunderbarer.
    Die festgeschlossenen Blütenblätter der Blume öffneten sich verstohlen eins nach dem andern und enthüllten hinter sich je ein anderes von einem tieferen und hinreißenderem Blau, bis schließlich die ganze Blüte weit ausgebreitet war wie ein Fächer. Und im Herzen der Blume lag ein Mädchen, nackt, zwischen den Flammen ihres Haares.
    »Da die Frauen meines Landes nicht hübsch genug waren, um dir zu gefallen«, bemerkte Asrharn, »habe ich dir eine Frau aus einer Erdenblume wachsen lassen. Sieh, ihr Haar ist weizengelb, ihre Brüste weiße Granatäpfel und ihre Lenden Honigtau.« Er führte Sivesch zu der Blume, beugte sich vor und hob das Mädchen heraus; und als ihre weißen Füße das Herz der Blume verließen, gab es einen kleinen knackenden Laut wie beim Brechen eines Pflanzenstengels. Sogleich öffnete das Mädchen die Augen: sie waren so blau wie der Erdenhimmel.
    Asrharn, der Prinz der Dämonen, legte mit einem heimlichen Lächeln ihre Hand in Siveschs Hand und das Mädchen lächelte, als ob sie ihn nachahmen wollte, ebenso und schaute in Siveschs verwirrtes Gesicht. Und so süß war dieses Lächeln und diese Lieblichkeit, daß Sivesch die Sonne vergaß.
    *
    Ihr Name war Ferashin, Blüten-Geborene. Sivesch lebte mit ihr in Einklang für
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