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Herr Der Fliegen

Herr Der Fliegen

Titel: Herr Der Fliegen
Autoren: William Golding
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verhallte strandwärts.
    Ralph kniete auf dem umgepflügten Boden und ihm war, als sei er losgelöst von dieser Erde. Da schlugen die weißen abgebrochenen Stümpfe, die gespaltenen Äste und das Gewirr des Dickichts wieder zusammen. er verspürte ein Gefühl der Schwere an der Stelle, wo er den Puls seines Herzens beobachtet hatte.
    Wieder Stille.
    Aber doch keine vollkommene. Sie flüsterten draußen miteinander; und plötzlich wurde an zwei Stellen zu seiner rechten heftig an den Zweigen gerüttelt. Das spitze Ende eines Stocks tauchte auf. In panischem Schreck führte Ralph seinen eigenen Stock durch den Spalt und stieß mit aller Gewalt zu.
    »Aaa – ah!«
    Der Speer zuckte ein wenig in seiner Hand; dann zog er ihn wieder zurück. »Aaa-auuuu!« Draußen stöhnte einer und man hörte Stimmengewirr.
    Ein heftiger Streit entbrannte und der verwundete Wilde ächzte. Als es dann wieder still wurde, sprach eine einzelne Stimme, und Ralph glaubte zu wissen, daß es nicht Jacks Stimme war.
    »Da hast du’s! Ich hab dir gleich gesagt, der ist gefährlich!«
    Der verwundete Wilde stöhnte wieder.
    Was jetzt? Was kam jetzt? Ralph umklammerte fester den Speer und das Haar fiel ihm ins Gesicht. Jemand zischelte etwas, nur wenige Meter weg zur Felsenburg hin. er hörte, wie ein Wilder mit entsetzter Stimme ›Nein!‹ sagte; dann unterdrücktes Lachen. er ging in die Hocke und zeigte der Zweigmauer die Zähne. er hob den Speer an, knurrte leise und wartete.
    Wieder kicherte die unsichtbare Gruppe. er hörte ein seltsames Knistern und dann ein lautes Geraschel, wie wenn jemand große Bogen Zellophan auseinanderwickelt. ein Zweig knackte und er unterdrückte ein Husten. rauch leckte durch die Äste in weißen und gelben Fäden, der Fleck Himmelsblau über ihm nahm die Farbe einer Gewitterwolke an und dann umwallte ihn der Rauch.
    Jemand lachte erregt, und eine Stimme schrie.
    »Rauch!«
    Er wand sich durch das Dickicht auf den Wald zu und kroch so tief wie möglich unter dem rauch her am Boden. Jetzt sah er eine freie Stelle und das grüne Laub am Ende des Dickichts. ein schmächtiger Wilder stand zwischen ihm und der Weite des Waldes, ein rot und weiß gestreifter Wilder mit einem Speer. er hustete und schmierte sich mit dem Handrücken Farbe um die Augen, als er versuchte durch den immer dichter werdenden rauch hindurchzusehen. Ralph sprang ihn an wie eine Katze, stach knurrend mit dem Speer zu, und der Wilde krümmte sich zusammen. Hinter dem Dickicht drüben schrie es, und dann rannte Ralph mit der Schnelligkeit der Angst durch das Unterholz. er stieß auf einen Schweinesteig, folgte diesem vielleicht hundert Meter und schwenkte dann ab. Hinter ihm schwoll wieder das Ululu über die Insel und eine einzelne Stimme schrie dreimal. er hielt das für das Zeichen zum Vorrücken und fegte wieder dahin, bis es in seiner Brust wie Feuer brannte. Dann warf er sich unter einen Busch und wartete einen Augenblick, bis sein Atem ruhiger ging. er fuhr prüfend mit der Zunge über Zähne und Lippen und hörte in der Ferne den Kriegsschrei der Verfolger.
    Er konnte verschiedenes unternehmen. er konnte auf einen Baum klettern – aber das hieß alles auf eine Karte setzen. entdeckten sie ihn, brauchten sie nur zu warten.
    Wenn man bloß Zeit hätte zum Überlegen!
    Ein weiterer zweifacher Schrei aus der gleichen Richtung ließ ihn ihren Plan erkennen. Kam einer der Wilden im Wald nicht weiter, stieß er diesen Doppelruf aus und brachte die ganze reihe zum Stehen, bis er sich freigemacht hatte. So mochten sie hoffen, daß die Kette über die Insel hinweg nicht abriß. Ralph fiel der Eber ein, der mit solcher Leichtigkeit ihre Linie durchbrochen hatte. Notfalls konnte er, wenn die Verfolgung näherkam, die Kette umrennen, solange sie noch dünn war, durchstoßen und zurücklaufen. Aber zurück wohin? Die Kette würde kehrtmachen und ihn wieder einkesseln. Früher oder später mußte er einmal schlafen oder etwas essen – und dann wachte er auf und Hände krallten nach ihm; und die Verfolgung wäre nur noch eine Hetzjagd. Was war also zu tun? Der Baum? Durchbrechen wie der Eber? Die eine Entscheidung war so schrecklich wie die andere.
    Ein einzelner Schrei ließ sein Herz schneller schlagen, er sprang auf und jagte meerwärts dem dichten Dschungel entgegen, bis er im Gewirr der Schlingpflanzen geborgen war; er verhielt einen Augenblick, seine Beine zitterten. Wenn man doch nur ans Mal schlagen, eine lange Pause machen könnte, Zeit hätte
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