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Herr Der Fliegen

Herr Der Fliegen

Titel: Herr Der Fliegen
Autoren: William Golding
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zum Nachdenken!
    Und da brandete wieder schrill und unausweichlich das Ululu über die Insel. er scheute wie ein Pferd bei diesem Schrei im Schlingenmeer und rannte wieder weiter, bis er keuchte. er bekam seinen Atem für einen Augenblick in die Gewalt, wischte sich über den Mund und ermahnte sich zur Ruhe. Samneric waren irgendwo in der Kette und machten nur ungern mit. Oder nicht? Und angenommen, er stieß statt ihrer auf den Häuptling, oder auf Roger, in dessen Händen der Tod lauerte …
    Ralph kämmte sein wirres Haar zurück und wischte sich den Schweiß aus dem unversehrten Auge.
    »Nachdenken!« sagte er laut vor sich hin.
    Was war das Vernünftigste?
    Es gab keinen Piggy mehr, der vernünftige Gedanken hatte. Keine feierliche Versammlung, die beratschlagte, kein erhabenes Muschelhorn.
    »Nachdenken!«
    Am meisten begann er sich jetzt vor dem Vorhang zu fürchten, der in seinem Gehirn herunterfallen, das Gefühl der Gefahr verdecken und einen Tölpel aus ihm machen konnte.
    Eine dritte Möglichkeit wäre, sich so zu verbergen, daß die vorrückende reihe vorüberging, ohne ihn zu entdecken.
    Er riß den Kopf vom Boden und lauschte. ein weiteres Geräusch erforderte jetzt seine Aufmerksamkeit – ein dumpfes Grollen, als sei ihm der Wald selbst böse, ein düsteres Geräusch, vor dem die Kriegsschreie klangen wie holpriges Gekritzel auf einer Schiefertafel. er wußte, daß er das schon einmal gehört hatte, aber er hatte keine Zeit, sich zu besinnen.
    Die Kette durchbrechen.
    Ein Baum.
    Verstecken und vorbeiziehen lassen.
    Ein Schrei in seiner Nähe ließ ihn hochfahren und sogleich hetzte er wieder weiter und rannte durch Dornen und Gestrüpp. Plötzlich taumelte er ins Freie, sah sich wieder auf jener Lichtung – und da war das klafterbreite Grinsen des Schädels, das sich nicht mehr über einen Fleck tief blauen Himmels lustig machte, sondern zu einer Rauchdecke auf höhnte. Dann rannte Ralph unter den Bäumen; er wußte jetzt, warum der Wald grollte. Sie hatten ihn ausgeräuchert und die Insel in Brand gesteckt.
    Verstecken war besser als ein Baum, denn da konnte man versuchen auszubrechen, wenn sie einen entdeckten.
    Also verstecken.
    Er fragte sich, was ein Schwein wohl dazu sagen würde, und grinste ins Leere. Such das dichteste Dickicht, das dunkelste Loch auf der Insel und kriech rein. Jetzt spähte er im Rennen um sich. Balken und Spritzer von Sonnenlicht huschten über ihn hinweg und der Schweiß überzog seinen schmutzigen Körper mit glitzernden Streifen. Das Schreien war jetzt weit und leise.
    Endlich fand er eine Stelle, die ihm günstig schien, trotzdem war es ein Entschluß der Verzweiflung. Büsche und wirres Schlingengeflecht bildeten hier eine Matte, die alles Sonnenlicht verbannte. Darunter war ein etwa ein Fuß hoher freier Raum, den senkrecht aufsteigende Stämme wie Säulen zerschnitten. Wenn man da bis in die Mitte vorkroch, war man fünf Meter vom Rand, und gut versteckt, es sei denn, es fiel einem Wilden ein, sich auf den Boden zu legen und nach einem zu suchen; und selbst dann war man im Dunkel – und wenn das Schlimmste geschah und er einen entdeckte, konnte man sich immer noch auf ihn stürzen, die Kette durcheinanderbringen und zurücklaufen.
    Vorsichtig, den Stock nachziehend, wühlte sich Ralph zwischen den aufstrebenden Stämmen hindurch. Als er die Mitte erreicht hatte, lag er still und lauschte.
    Das Feuer war gewaltig, und das Trommeln, das er so weit hinter sich zurückgelassen zu haben glaubte, kam näher. Konnte das Feuer nicht ein galoppierendes Pferd einholen? er konnte etwa fünfzig Meter weit über den sonnengesprenkelten Boden sehen von seinem Versteck aus, und wie er so hinstarrte, blinkte ihn das Sonnenlicht aus jedem Fleck an. Das glich so sehr dem Vorhang, der manchmal vor seine Sinne fiel, daß er einen Augenblick lang glaubte, das Flimmern sei in seinem Kopf. Aber dann blinkten die Flecke schneller, verblaßten, verlöschten, und er sah, daß schwerer rauch zwischen der Insel und der Sonne schwamm.
    Wenn einer unter die Büsche sah und sein Blick zufällig auf Menschenfleisch fiel, vielleicht waren es dann Samneric, die so taten, als hätten sie nichts gesehen und schwiegen. er legte seine Wange auf die dunkelbraune erde, befeuchtete seine trockenen Lippen und schloß die Augen. Unter dem Dickicht vibrierte ganz leise der Boden; oder vielleicht gab es außer dem lauten Feuerdonner und dem schrillen Ululu noch ein Geräusch, das zu leise war, als daß man
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