Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr Der Fliegen

Herr Der Fliegen

Titel: Herr Der Fliegen
Autoren: William Golding
Vom Netzwerk:
mehr.
    Oder doch?
    Ein leises Prickeln lief ihm den Rücken hinauf und hinunter. er stand still, das Gesicht etwa auf gleicher Höhe mit dem Schädel, und hielt mit beiden Händen sein Haar zurück. Die Zähne grinsten, die leere Augenhöhle schien seinen Blick überlegen und ohne Anstrengung zu bannen.
    Was wollte das tote Gesicht von ihm?
    Der Schädel blickte Ralph an wie einer, der alle Antworten kennt und sie nicht preisgibt. eine erbärmliche Angst und Wut riß ihn fort. er hieb zornig auf das Ding da vor ihm ein, das wie eine Puppe tanzte und wieder zurückschwang und Ihn immer noch angrinste, daß er darauf losschlug und vor ekel aufschrie. Dann leckte er seine aufgeschundenen Knöchel und starrte auf den leeren Stock, und der Schädel lag in zwei Stücke gespalten da und sein Grinsen war jetzt sechs Fuß auseinandergezogen. er zerrte den zitternden Stock aus dem Spalt und hielt ihn als Speer zwischen sich und die weißen Stücke. Dann wich er zurück, immer den Blick auf den Schädel gerichtet, der zum Himmel aufgrinste.
    Als das grüne Glühen vom Horizont verschwunden und die Nacht ganz hereingebrochen war, kam Ralph wieder an das Dickicht vor der Felsenburg. er spähte durch die Zweige und sah, daß der Ausguck immer noch besetzt war, und wer auch dort stand, hatte seinen Speer bereit.
    Er kniete zwischen den Schatten nieder und spürte schmerzhaft, daß er allein war. Sie waren Wilde, ja, aber sie waren doch Menschen, und die lauernden Ängste der tiefen Nacht umschlichen ihn.
    Er stöhnte leise auf. er war zwar müde, aber er durfte sich nicht gehen lassen und in den Brunnen des Schlafs tauchen, denn er mußte den Stamm fürchten. Konnte man nicht einfach geradewegs auf die Festung zuschreiten, ans Mal anschlagen und rufen »Frei! Gilt nicht!«, lustig auflachen und bei den andern schlafen? So tun, als seien sie noch Jungen, Schuljungen, die »Ja, Herr Lehrer«, »Danke, Herr Lehrer« gesagt und Mützen getragen hatten? Das Tageslicht hätte vielleicht ja gesagt; aber die Finsternis und das Todesgrauen sagten nein. So lag er im Dunkel und wußte, daß er ausgestoßen war.
    »Weil ich noch nicht ganz den Verstand verloren gehabt hab!«
    Er rieb seine Wange über den Unterarm und zog den scharfen Geruch von Salz und Schweiß und Unsauberkeit ein. Drüben zu seiner Linken atmeten die Wellen des Ozeans ein und aus, wurden angesaugt, kochten dann über das Gestein zurück.
    Hinter dem Felsen hervor drangen Laute. Angestrengt lauschend vernahm Ralph durch das Schwingen des Meeres hindurch einen bekannten Rhythmus.
    »Stecht das Tier! Macht es tot! Blut fließt rot!»
    Der Stamm tanzte seinen Reigen. Irgendwo auf der anderen Seite der Felsmauer war jetzt sicher ein dunkler Kreis, ein glühendes Feuer – und Fleisch. Sie genossen das reichliche Mahl und das Gefühl der Geborgenheit.
    Ein Geräusch ließ ihn erbeben. Wilde kletterten die Felsenburg hinauf bis zum Gipfel, und er hörte Stimmen. er kroch ein paar Meter naher und sah, wie der Schatten auf der Felsspitze wechselte und größer wurde. es gab nur zwei Jungen auf der Insel, die sich so bewegten und so sprachen.
    Ralph ließ den Kopf auf die Arme sinken und empfing diese neue Erkenntnis wie eine Wunde. Samneric gehörten jetzt zum Stamm. Sie bewachten die Felsenburg vor ihm, dem Verfemten. Jetzt konnte er nicht mehr daran denken, sie herauszuholen und einen Stamm der Ausgestoßenen am anderen Ende der Insel zu gründen. Samneric waren Wilde wie die andern; Piggy war tot und das Muschelhorn zu Staub geworden.
    Schließlich kletterte die erste Wache herunter. Die beiden Zurückbleibenden schienen nicht mehr als eine dunkle Ausbuchtung des Felsens zu sein. ein Stern tauchte hinter ihnen auf und wurde für einen Augenblick durch irgendeine Bewegung verdeckt.
    Ralph tastete sich langsam über den unebenen Boden vor, als sei er blind. Zu seiner rechten war grenzenlos Ungewisses Wasser und links unter ihm ging es hinab auf den ruhelosen Ozean wie in einen schrecklichen Brunnenschacht. Minute für Minute spulten die Wasser um den Todesfelsen und zerflossen in weiße Blütengarben. er kroch näher, bis er mit den Händen an den Sims stieß, der in die Burg führte. Die Wächter waren genau über ihm, und er sah ein Speerende über das Gestein hinausragen.
    Er rief mit leiser Stimme.
    »Samneric –«
    Keine Antwort. Um gehört zu werden, mußte er lauter rufen; und das würde jene gestreiften feindlichen Wilden von ihrem Festmahl am Feuer aufscheuchen. er biß
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher