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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis
Autoren: Robert Silverberg
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pendelte, doch wie der Zufall es wollte, fuhr die alte Karracke weiter als nur dorthin, nach Boulogne und Le Havre und einmal nach Cherbourg, so daß ich ein paar Stürme mitbekam und ein paar Dinge über Winde und Segel lernte. Das würde mir einmal zum Nutzen geraten, wenngleich ich dies noch nicht ahnen konnte.
    Als Schiffszimmermann war ein Portugiese an Bord, ein Manoel da Silva, sehr schnell mit den Händen und mit der Zunge, der vor langer Zeit eine englische Frau geheiratet und den Papismus aufgegeben hatte. Er mochte mich und kam oft in die Kabine, in der ich mit Verzeichnissen und Faktura kämpfte, und bei seinen Besuchen sprach er halb Englisch und halb Portugiesisch mit mir, so daß ich nach und nach die Sprache von ihm aufschnappte: um, dois, tres, quatro und so weiter. Ich lernte, daß ich eine Begabung für Sprachen hatte. Und auch dies würde mir eines Tages nützlich sein.
    In diesen Monaten entwickelte ich Geschmack an gutem Rotwein und fand heraus, wie man über Deck geht, ohne die Beine zu spreizen. Ich hatte meinen ersten echten Kampf und teilte mehr aus, als ich einsteckte, und ich ließ, was schon lange überfällig war, meine schmerzende Jungfräulichkeit im Leib einer dunkelhaarigen französischen Hure zurück. Danach machte ich mir einige Tage über die Pocken Sorgen, was aber überflüssig war. Ich fand heraus, daß ich auf harten Planken gut schlafen konnte, und lernte, mich damit abzufinden, von Salzgischt durchnäßt zu werden. Mein Körper wurde härter, meine Beine wurden länger, und ich sagte mir, daß ich nun ein Mann sei, und dieser Satz klang gut in meinen Ohren.
    Bisweilen stellte ich mir vor, tausend Meilen von zu Hause entfernt zu sein, auf einer Reise, die niemand je vergessen würde, unterwegs nach Japan oder Hispaniola oder Terra Australis. Dabei fuhr ich nur auf einem alten Kahn, der Wein überführte, zwischen England und Frankreich.
    Selbst damals dachte ich noch nicht daran, die See zu meinem Gewerbe zu machen. Denn trotz all meines Eifers, die Meere zu befahren und fremde Länder und Wunder zu sehen und meine Börse mit spanischem Gold zu füllen, war es mein tiefster und ehrlichster Wunsch, ein paar Pfund zurückzulegen, um eines Tages ein freies Gut zu kaufen, zu heiraten und zu gedeihen, genügsam mit harter Arbeit und inmitten einer Familie zu leben und wie ein Gentleman Bücher zum Vergnügen zu lesen und bisweilen ein Theater in London zu besuchen.
    Am Ende meiner einjährigen Reise fand ich heraus, daß ich bei weitem nicht so viel zurückgelegt hatte wie erwartet – zwei Shilling weniger als zwei Pfund. Doch auch das schien für einen Jungen von siebzehn Jahren ein hübsches Vermögen zu sein und mehr, als ich an Land hätte verdienen können, denn in jenen Tagen konnte ein erfahrener Handwerker – ein Strohdachdecker zum Beispiel – nicht auf mehr als sieben Shilling und Sixpence die Woche hoffen, wovon Logis, Bekleidung und Essen noch abgezogen wurden, und ein junger Kanzlist verdiente bei weitem nicht soviel. Also fuhr ich nach zwei Monaten zu Hause wieder zur See.
    Diesmal war es eine größere Reise, nach Flandern und Norwegen, und das Jahr darauf fuhr ich auf einem Schiff der Muscovy Company bis hinauf nach Rußland, und es war kalt auf dieser Fahrt, was mir nicht sehr gefiel. Doch diese Reisen machten einen wirklichen Seemann aus mir, denn jedes Mal arbeitete ich weniger als Buchhalter und mehr als Seemann, und ich lernte allmählich, mich mit den See- und Himmelskarten, dem Kompaß und Lot auszukennen, nicht, weil es von mir verlangt wurde, sondern weil meine Neugier mich dazu trieb, aus erster Hand kennenzulernen, was für ein Gewerbe mein Vater und sein Sohn Thomas, der Steuermann, eingeschlagen hatten. So gingen die Jahre meines frühen Mannestums vorbei.
    In jener Zeit schickten sich die Spanier mehr als einmal an, den Waffenstillstand zwischen ihren Besitzungen und den unseren zu brechen, und die Königin schickte Drake aus, die Spanier mit dem Verlust von Gold und Silber zu bestrafen. Das war im Jahre 1577, und es sollte eine Reise um die Welt werden, obwohl dies nicht Drakes Absicht gewesen war. Mein Bruder Henry war bei ihm an Bord seines Flaggschiffs, der Pelican, die Drake mitten auf der Reise in The Golden Hind umtaufen sollte. Auch mein Vater bewarb sich um das Kommando eines anderen Schiffes, der Pinasse Christopher, doch es wurde ihm wegen seines Alters mit Dank eine abschlägige Antwort erteilt.
    Ich wäre auch mitgefahren, doch mein
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