Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
sieben oder acht Jahre alt –, warf mich in die Luft, fing mich auf und rief: »Hier ist ein neuer Seemann für uns, was, Thomas?«
    »Ach, das glaube ich nicht«, sagte mein Vater.
    Der Mann – Francis Willoughby, der Vetter von Sir Hugh, der auf der Suche nach der Nordostpassage nach China in Lappland verschollen ging – schüttelte den Kopf. »Nay, Thomas, wir müssen alle hinausgehen. Denn dies ist die Zeit unserer Nation. Wir Engländer, wir werden uns wie Samen auf der Erde ausbreiten. Oder wie geworfene Münzen, könnte man besser sagen: eine Handvoll Münzen, die die Faust eines Riesen wirft. Und, Thomas, wir sind hell funkelnde Münzen, wir Engländer, aus den unedelsten Metallen!«
    Ich erinnere mich äußerst lebhaft an diese Worte und daran, wie ich mir vorstellte, wie der Riese auf den Kontinenten hin- und hergeht und über die Meere schreitet und mit mächtigem Arm Engländer wirft. Und auch, wie ich dachte, wie erschreckend es sein müsse, auf diese Art geworfen zu werden, doch wie wundersam, in irgendeinem fernen Land auf die Erde zu stürzen, wo das Sonnenlicht eine andere Farbe hat und die Bäume mit den Wurzeln in der Luft und den Kronen unter der Erde wachsen!
    Mein Vater nickte zustimmend und sagte: »Aye, jede Rasse hat ihre besondere Bestimmung, und die See ist nun die unsere, wie es die für Rom war, ein Weltreich zu schaffen, und die für die Normannen, England zu erobern. Und ich glaube, unser Volk wird weit in die Welt hinausgehen und sie höchst überschwenglich umarmen und diese unsere kleine Insel mit jedem fernen Land verbinden. Und die Seefahrer der Königin werden viele seltsame Orte kennenlernen, und einige werden auch seltsame Schicksale erleiden. Doch nicht mein Andy, glaube ich. Ich glaube, ich möchte ihn näher bei mir haben, damit er mir Trost in meinen alten Tagen ist. Ich darf einen Sohn für mich behalten, nicht wahr? Darf ich das nicht, Francis?«
    Und ich hielt es für höchst ungerecht, daß ich allein an dem Vergnügen nicht teilhaben sollte, wenn wir Engländer alle von dem Riesen geworfen und zu Saatgut oder Münzen wurden und überschwenglich ferne Länder umarmten. Und ich sagte mir, während mein Vater und Francis Willoughby scherzten und lachten und ihr Ale tranken, daß auch ich diese fremden Orte sehen und die seltsamen Schicksale erleiden würde. Daran erinnere ich mich. Doch ich erinnere mich auch, daß, als sich Francis Willoughby verabschiedet hatte und die Hitze des Augenblicks abgekühlt war, ich diesen Träumen erlaubte, eine Zeitlang wieder in mir zu verbleichen.
    Es war, wie ich schon sagte, für mich vorgesehen, Kanzlist zu werden. Doch während ich lernte, beobachtete ich, wie die Schiffe kamen und gingen, und lauschte den Gesprächen meines Vaters und meiner Brüder, und ein anderes Verlangen stieg in mir empor. Besonders mein Bruder Henry, der erste Freibeuter unserer Familie, war es, der mich zur See brachte.
    Henry war der zweite Sohn, kühn und ungeduldig. Er stritt gewaltig mit meinem Vater, sagte man mir. (All dies geschah, als ich klein war, denn ich war um so vieles jünger als meine Brüder.) »Du magst glücklich zwischen Leigh und Antwerpen segeln, zwischen Antwerpen und Leigh, wenn es dir gefällt«, erklärte der unverschämte Henry, »doch ich sehne mich nach einem größeren Meer.« Er ging von zu Hause fort und wurde eine Weile nicht mehr gesehen, und dann kam er eines Tages zurück, nun größer als mein Vater, die Haut fast schwarz von der tropischen Sonne und eine Cutlass { * } -Narbe auf der Wange, und er ließ eine Börse voller Goldmünzen klingeln und warf sie auf den Tisch im Haus meines Vaters und sagte: »Hier, das Entgelt für die Unterkunft, die ich bei dir gehabt habe!«
    Er war mit John Hawkins aus Plymouth zur See gefahren, um den Portugiesen in Westafrika Schwarze zu rauben und sie den Spaniern in der neuen Welt als Plantagensklaven zu verkaufen. Und er kam reich zurück: Mehr als das, er kam als Mann zurück, er, kaum mehr als ein Junge, als er fortgegangen war. John Hawkins fuhr im Jahr darauf mit fünf Schiffen wieder nach Afrika, darunter die große Jesus von Lübeck, und Henry fuhr wieder mit ihm, und auch mein Bruder John, und als sie zurückkehrten, sonnengebräunt und großspurig prahlend, hatten sie die Beutel voll von Perlen und anderen Schätzen.
    Mein Bruder Henry wanderte mit mir am Strand entlang und lehrte mich Worte in der spanischen und portugiesischen Zunge und erzählte mir von Fischen, die flogen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher