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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis
Autoren: Robert Silverberg
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und von Bäumen, von denen Blut tropfte, und dann schenkte er mir eine Perle, die wie eine blaue Träne aussah und an einer Kette hing, und legte sie um meinen Hals. »Mit dieser Perle kannst du dir eines Tages eine Prinzessin kaufen«, sagte mein Bruder Henry.
    Erneut stachen Henry und John nach Plymouth in See, raubten Sklaven in Guinea und brachten sie nach Hispaniola { * } , doch dieses Mal waren die Spanier voller Heimtücke, und der englische Kapitän, John Lovell, war ein Einfaltspinsel, und so kamen sie weder mit Gold noch mit Perlen nach Hause, sondern nur mit der Tönung der heißen Sonne auf ihrer Haut als Lohn für ihre Mühen.
    »Dennoch«, sagte Henry zu meinem Vater, »die Reise war nicht gänzlich ein Verlust, denn es war ein Mann an Bord unseres Schiffes, der die Würde eines Königs hat, und er hat Pläne und Vorhaben, Wunder zu wirken, und ich werde ihm folgen, wohin er auch segelt.«
    Dieser Mann war der Proviantmeister an Bord von Lovells Schiff, und sein Name war Francis Drake. Ich lag oben wach und lauschte, während Henry und John meinem Vater von diesem Mann erzählten, wie er sich gab und wie er lachte und fluchte und wie er auf Kosten König Philips reich werden wollte, und ich stellte mir vor, wie ich selbst mit meinen Brüdern zur See fahren würde, wenn sie sich von Francis Drake anwerben ließen.
    Das war eine bloße Vorstellung, denn ich war noch keine zehn Jahre alt, und Kinder segeln nicht mit Freibeutern. Doch Drake und John Hawkins segelten, und nun fuhr auch mein ältester Bruder, Thomas, mit ihnen. Wie mein Vater wütete und tobte! Denn Thomas bekam nach seinen Jahren des Studiums seine Lizenz vom Trinity House und lotste Schiffe, die mit den Kanalhäfen Handel trieben, als ihn dieser Hang zur Piraterie überfiel. »Wer wird uns zu Hause lotsen«, wollte mein Vater wissen, »wenn alle Seeleute zu den Westindischen Inseln strömen?« Und doch war diese Frage nur ein Schrei in den Wind. Thomas hatte die Perlen gesehen. Thomas hatte die Goldmünzen und die funkelnden Dublonen gesehen. Und mich deucht, er beneidete unsere Brüder um ihre Narben und ihre schwartige Haut.
    Jeder kennt das Schicksal dieser Reise, bei der Hawkins und Drake von Stürmen gezwungen wurden, bei San Juan de Ulloa an der mexikanischen Küste Schutz zu suchen, und dort von Spaniern aufgestöbert wurden, so daß sie kaum mit dem nackten Leben entkamen und viele ihrer Männer getötet wurden. Einer der Getöteten war mein Bruder Thomas. Man könnte meinen, mein Vater hätte dunkle Rechtfertigungen aus dieser Nachricht gezogen, wie die Menschen es tun, wenn ihre Warnungen ausgeschlagen werden, doch mein Vater zählte nicht zu dieser Sorte. Er betrauerte seinen erstgeborenen Sohn angemessen, und dann suchte er Francis Drake auf und sagte: »Ich habe Eurer Unternehmung drei Söhne gegeben, und einen davon erschlugen die Spanier; und nun frage ich, ob Ihr Bedarf an einem erfahrenen Lotsen habt, der nicht jung ist, wenn Ihr zu Euerm nächsten Beutezug an ihren Küsten aufbrecht.«
    Was, sagt Ihr? Hatte die Trauer meinen Vater um den Verstand gebracht? Nein, er war nur verändert. Die bloße Gier nach Schätzen hatte nicht vermocht, ihn von seinen Pflichten im Kanal und der Nordsee abzuziehen. Doch die feige und verlogene Art und Weise, wie die Spanier über arglose Engländer hergefallen waren, und der Verlust so vieler kostbarer Menschenleben hatten seine Auffassung gewandelt. Er wollte Drake nun nur noch helfen, von Spanien zu nehmen, was immer er konnte, zum Teil als Entgelt für das Leben seines Sohnes. »Es gibt mehr Möglichkeiten, Gott und der Königin zu dienen«, sagte mein Vater zu mir, »als Schiffe in die Themsemündung zu lotsen.«
    Und so war er 1570 mit Drake auf der Swan, um die Nordostküste Südamerikas zu plündern, und ein Jahr später war er einer jener an Bord von Drakes Pasha, die bei Nombre de Dios am Isthmus von Panama den Königlichen Schatz geraubt haben. Die Qualen dieser Reise, die Fieber und Unglücke, waren fürwahr eine Gottesprüfung, doch mein Vater muß unter solchen Lasten aufgeblüht sein, denn als er nach einem und einem halben Jahr zurückkehrte, sah er wundersam jünger aus, eher wie ein Bruder denn wie der Vater von Henry und John, und alle drei waren schlank und stark und dunkel wie Mohren.
    Ich begab mich nach Plymouth, um bei der Rückkehr ihres Schiffes dabei zu sein. Ich war damals beinahe fünfzehn und plötzlich sehr groß geworden, und ich glaube, die Krankheit der
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