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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis
Autoren: Robert Silverberg
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beschrieben hatte, so beschrieb ich ihn Tomer. Doch er lachte nur und sagte: »Andy, Andy, es gibt keinen solchen Baum! Komm und sieh!«
    Er zeigte mir den Drachenblutbaum, indem er darauf deutete, und in der Tat gab es viele davon auf den Inseln. Ein besonders schöner Baum war es, fett geschwollen vor Ästen, mit Blättern wie lange Dolche, und wenn man die Blätter abriß, blieb ein kleiner roter Fleck zurück. Ich frage mich, wie viele der anderen Geschichten von Reisenden von Marco Polos Tagen bis zu den unsrigen auf diese Art entflammt und vergrößert wurden. Und doch schwöre ich Euch bei den Malen Jesu, daß ich Euch in dieser meiner Erzählung nichts anderes als die Wahrheit berichte, und wenn überhaupt schildere ich Teile dessen, was ich erlebt habe, eher nüchterner, als sie sich in Wirklichkeit zugetragen haben.
    Wir führten eines jener kleinen Schiffe mit uns, die man leichte Kavallerie nennt, ein Ruderboot, das wir in zwei Teilen mitgenommen hatten. Am ruhigen Strand von Teneriffa setzten wir dieses Boot zusammen und schleppten es hinter uns her, um damit an Land rudern zu können. Als wir dies bewerkstelligt hatten, stachen wir in See.
    Wenn man den Atlantik überqueren will, wendet man sich weit im Süden hinter den Kanarischen Inseln nach Westen. Wir taten dies nicht. Wir folgten der Küste Guineas und umrundeten den großen Buckel Afrikas, als habe Kapitän Cocke vor, uns zu einem anderen Bestimmungsort als Brasilien zu führen. Ich weiß nicht, warum dies geschah, ob es schiere Unfähigkeit seinerseits war oder wirklich ein Fehler oder die Hoffnung, in jenen Gewässern einem Schatzschiff der Portugiesen zu begegnen. Wahrscheinlich war es das letztere, denn unter jenen an Bord wie Thomas Tomer, die sich bewußt waren, daß wir einen falschen Kurs eingeschlagen hatten, gab es kein Murren. Und ich, der ich meine erste Reise in die ausgedörrten Länder unternahm, hatte eine lange Weile keinen Argwohn, daß etwas nicht in Ordnung war, obwohl letzten Endes selbst ich mich zu wundern begann.
    Es war eine schlechte Zeit für uns. Wir dümpelten in Windstille, weil wir zu nahe der Küste waren. Tagelang trieben wir ohne jeden leichten Windstoß dahin. In dieser Zeit erkrankten die meisten unserer Männer wegen der extremen Hitze und der Nebel der Nacht an Skorbut. Von diesem Elend blieb ich verschont, entweder wegen meines Gottvertrauens oder, was mir wahrscheinlicher erscheint, wegen der Kraft meines Körpers, doch es war alles andere als leicht für mich, da ich Doppel- und Dreifachwachen zu stehen hatte und mich um jene kümmerte, die litten, um ihnen Erleichterung zu verschaffen. Wir brieten unter den großen gelben Augen des Feuers über uns. Meine Haut bräunte sich, wie sich die meiner Brüder gebräunt hatte, und ich wußte, in Essex würde ich damit jetzt eine beeindruckende Gestalt machen, doch dies war nicht Essex, und ich fühlte mich, als würde ich mich in Leder verwandeln, nur geschaffen dazu, Bücher darin einzubinden. In jenen Tagen aßen wir wenig außer Pökelfleisch und getrockneten Erbsen.
    Als wir uns bis auf drei oder vier Grad dem Erdäquator genähert hatten, legten wir am Cape de las Palmas an, einem glückverheißenden Ort tief unten an der Seite Afrikas, wo der Kontinent in einer großen Biegung nach Osten schwingt. Die Menschen dieses Kaps setzten sich zu einem großen Teil aus solchen unseres Volkes zusammen und sagten, sie würden mit uns Handel treiben; doch dies geschah nur, um uns zu betrügen, denn sie sind sehr verschlagen, sie wollten unser Boot stehlen und haben einige unserer Männer verletzt.
    Von diesem Kap legten wir in südwestliche Richtung ab; doch die Strömung und Windstille täuschten uns, so daß wir im Glauben, wir wären tiefer auf See, als wir es wirklich waren, zur Insel São Tomé hinabgetrieben wurden. Ich wußte, daß wir schlimm vom Kurs abgekommen waren, und nachts lag ich in der Hitze oft wach und dachte an die schönen weißen Brüste meiner Anne Katherine, mit ihren kleinen, empfindlichen rosa Spitzen, die unter meinen Händen so hart wurden. Auf dieser Reise die afrikanische Küste entlang kam ich Anne Katherine nicht näher und auch nicht dem spanischen Gold, das mein Hochzeitsgeld werden sollte. Und so empfand ich Trauer und manchmal einen erstickenden Zorn. Und wenn ich daran dachte, wie ihre Brüste hart wurden, wurde ich selbst woanders hart und rollte mich auf den Bauch und verschaffte mir mit der Hand Erleichterung, wie Seefahrer es
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