Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
innerhalb von zwei Monaten würden zwei Schatzschiffe Buenos Aires verlassen, um nach Bahia in der Nähe dieser Ilha Grande zu segeln. Er sagte auch, ohne gefragt worden zu sein, auf der anderen Seite dieser Insel lebte ein Degradado, ein Verbannter, auf einer Plantage, deren Früchte uns nähren würden. Da unser Brot und sonstiger Proviant fast aufgebraucht waren, erlaubten wir dem Portugiesen, uns dorthin zu führen. Und fürwahr fanden wir die Plantage und ihren Besitzer und nahmen ihm große Vorräte an Beynonas und ein paar Schweine und Hühner und andere Dinge ab.
    Kapitän Cocke teilte nun unsere Mannschaft, stellte ein paar Mann der Dolphin für unsere May-Morning ab und ließ die Dolphin vor Ilha Grande zurück, während die anderen von uns nach Süden fuhren, um die Schatzschiffe am Rio de la Plata abzufangen. Dies kam mir damals als törichte Strategie vor, wie so viele andere von Cockes Befehlen. Wir hatten sowieso schon kaum genug Männer, und ich verstand nicht, wieso er unsere Zahl aufteilte. Ich konnte über zwanzig Jahre lang darüber nachdenken und habe noch immer keine Antwort auf dieses Rätsel gefunden und weiß, daß ich niemals eine finden werde.
    Ich weiß auch nicht, was aus der Dolphin und ihren Männern wurde, wenngleich ich auch annehme, daß sie nur noch ein paar Tage vor Ilha Grande warteten und dann zurück nach England fuhren. Auf jeden Fall füllten wir unseren Laderaum mit den Früchten des Degradado und verließen seine Insel.
    Cocke sprach lange und laut von dem Gold, das bald anstelle der Früchte die Unterdecks füllen würde. Wenn man ihm ins Gesicht sah – was nicht einfach war, da seine Augen in verschiedene Richtungen schauten und den Blick nicht erwiderten –, sah man darin den Schimmer der Habsucht, als betrachtete er Berge von Dublonen. So war es; und doch gibt es ein gutes altes englisches Sprichwort, das besagt: »Ein krähender Hahn legt keine Eier«, und so war es mit diesem unserem guten Cocke { * } . Denn in meinem Leben sah ich genauso viele Hahneneier, wie diese Reise mir Dublonen eingebracht hat.
3
    Eine lange, leere Zeit fuhren wir diese fruchtbare Küste hinab.
    In der dritten oder vierten Nacht kamen ein starker Südostwind und Böen auf, die uns vom Kurs abbrachten, und wir suchten ein geschütztes Fleckchen zum Ankern. Doch wo wir an Land gingen, wartete ein Dutzend Indianer. Sie waren dunkelbraun und nackt, hatten ihre Geschlechtsteile nicht bedeckt und trugen Bögen und Pfeile in den Händen.
    Sie alle kamen mit Entschlossenheit zu unserem Boot gelaufen. Nicholas Parker, der Zweite Maat, gab ihnen ein Zeichen, die Bögen niederzulegen, und sie senkten sie. Doch wegen der Wellen, die sich am Strand brachen, konnte er nicht mit ihnen sprechen oder sich auf andere Art und Weise verständlich machen. Er warf ihnen nur etwas Tand und eine kleine Mütze zu, die ihnen gefiel, und einer von ihnen warf ihm einen Hut aus großen Federn zu, mit einer kleinen Krone aus roten und grauen Federn wie denen eines Papageien. Ich glaube, sie erkannten, daß wir keine Portugiesen waren und ihnen daher keinen Schaden zufügen würden.
    Diese Indianer hatten Löcher in ihren Unterlippen und einen Knochen darin, der so breit war wie die Knöchel einer Hand und so dick wie eine Baumwollspindel und an einem Ende scharf wie eine Ahle. Einige waren mit verschiedenartigen Streifen blauschwarzer Farbe bedeckt. Wir gaben ihnen Zeichen und sie uns, und dann erschienen vier oder fünf Mädchen aus dem Unterholz. Sie waren sehr jung und überaus hübsch, besonders für Männer, die seit vielen Monaten keine weiche Haut mehr berührt hatten. Sie hatten üppiges langes Haar, das ihnen bis auf den Rücken fiel, und ihre unbedeckten Geschlechtsteile wiesen fast keine Haare auf und waren so ansehnlich, daß sich viele Frauen in unserem Land, hätten sie solch eine Perfektion gesehen, geschämt hätten, daß die ihren nicht annähernd so vollkommen waren.
    »Ich werde ihnen ein oder zwei Mädchen abkaufen«, sagte Nicholas Parker und lachte breit, und wir ermutigten ihn darin, denn diese Mädchen waren wohlgestaltet und -gerundet. »Was werden sie für sie verlangen? Etwas, das funkelt«, sagte er.
    Doch dann steckte der Teufel seine Hand in den Handel. Ein Matrose aus Portsmouth, ein gewaltiger, schwerfälliger Tolpatsch oder Ochse, mußte unbedingt vorwärts wanken und die Hände auf eins der Indianermädchen legen. Das war schon schlimm genug; doch als er zu ihr polterte, verfing sich sein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher