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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis
Autoren: Robert Silverberg
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Stiefel in einer Ranke auf dem Boden, und er stürzte Hals über Kopf. Seine Muskete flog ihm aus der Hand. Er ergriff sie, als sie fiel, doch seine Haltung war derart, daß es den verängstigten Indianern schien, er wolle schießen. Sie flohen augenblicklich und deckten uns aus der Ferne mit einem Pfeilhagel ein, der keinen Schaden anrichtete, unserer Unterredung jedoch ein Ende setzte, und wir erwarben weder an diesem noch an einem anderen Tag hübsche Mädchen. Danach fanden wir keine Indianer mehr und auch keine guten Häfen mehr, und wir sahen keine Spur von den spanischen Schatzschiffen aus Buenos Aires, obwohl wir auf der Suche nach ihnen hin und her kreuzten. Abraham Cocke musterte mich mit immer kälteren Blicken, als glaube er, ich hätte mich von Lügen des portugiesischen Händlers irreführen lassen oder seine Worte falsch verstanden. Und so kreuzten wir sechsunddreißig Tage, bis wir zur Insel Lobos Marinos gelangten, die in der Mündung des Rio de la Plata liegt.
    Diese Insel ist eine halbe Meile lang und hat kein Frischwasser, doch es wimmelt dort von Robben und einem größeren Tier, einer Art Walroß. Es gab dort so viele von diesen Geschöpfen, daß unser Ruderboot nicht durch sie hindurchkam, wenn wir sie mit unseren Rudern nicht zur Seite trieben: Und die Insel ist völlig von ihnen bedeckt. Von diesen Robben lebten wir etwa dreißig Tage, ankerten hier und da im Fluß und litten abgesehen von diesem Fleisch großen Mangel an Nahrung. Dann entschlossen wir uns, Buenos Aires anzulaufen und mit unserem Ruderboot eine der Pinassen zu kapern, die vor dieser Stadt warteten. Doch als wir den Fluß so weit hinaufgefahren waren, daß wir die Stadt fast erreicht hatten, gerieten wir in einen mächtigen Südweststurm, der uns wieder zurücktrieb, und wir waren froh, vor der Isla Verde – das heißt Grüne Insel – Schutz zu finden, die auf der nördlichen Seite in der Mündung des Flusses liegt.
    Der Mangel an Lebensmitteln machte uns sehr zu schaffen, und wir waren nicht imstande, dort lange auszuharren. So niedergeschlagen waren wir, daß wir den Zweck der Reise völlig vergaßen und uns schwermütig nordwärts zurückzogen, um unsere Absichten zu überdenken. So kamen wir zur Insel São Sebastião, die genau unter dem Wendekreis des Steinbocks liegt. Dort gingen wir an Land, um Fische zu fangen, und einige von uns, darunter ich, gingen in die Wälder, um Früchte zu sammeln. Und auf dieser Insel fand mein Leben als freier Mann ein Ende.
    Ich glaube, dieses Unglück befiel mich am Dreikönigstag. Darin liegt eine kalte Ironie, denn ich hatte der mir anverlobten Anne Katherine in all meiner Unschuld versprochen, wir würden an diesem Tag verheiratet sein, ohne zu wissen, daß Abraham Cocke törichterweise die halbe Küste Afrikas hinabsegeln und sich dann erst nach Brasilien wenden würde oder daß wir Wochen hier und dort und hier und dort verschwenden würden, ohne die Schatzschiffe zu finden.
    In den Tropen ist alles umgekehrt, und der Dreikönigstag fällt in den Hochsommer, und es war ein Tag von gar fürchterlicher Hitze, der mich nach Schnee sehnen ließ. Ich stand hoch oben auf einem Hügel und pflückte ein paar süße purpurrote Früchte von einem Baum, dessen Blätter glänzend wie Spiegel waren, als ich Rufe und Schreie hörte und den Hügel hinab blickte, um eine Gruppe von nackten Indianern zu sehen, die aus dem Hinterhalt auf unsere Leute einstürmten. Das war kein Stamm kindlichen Gemüts, der uns Federn zum Geschenk machte. Alle hatten Bögen und Pfeile, und einige trugen Messer, die sie von den Portugiesen bekommen haben mußten, und sie griffen so schnell an, daß wir keine Zeit mehr hatten, das Pulver anzuzünden, sondern uns nur noch die Flucht blieb. Flucht! Aye, so war es. Innerhalb eines Augenblicks lagen Leichen auf dem Strand und kletterten Engländer in das Boot oder schwammen einfach verzweifelt zur May-Morning hinaus.
    Nun, es ist nicht schändlich, die Flucht zu ergreifen, wenn man überrascht und von allen Seiten bedrängt wird. Ich dachte, ich wüßte, was nun geschehen würde: Cocke würde die Kanonen des Schiffes auf die Indianer richten und sie zur Aufgabe zwingen und dann das Ruderboot zur Insel zurückschicken, um unsere Toten zu bergen und die einzusammeln, die in den Hügeln Früchte gepflückt hatten. Doch dies geschah nicht. Das Ruderboot erreichte das Schiff, und die Männer kletterten an Bord; und vor meinen ungläubigen Augen holte die May-Morning den Anker
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