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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis
Autoren: Robert Silverberg
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Katherine und mich schließlich anschicken, Söhne zu zeugen und Bücher zu lesen. Und dann lebwohl dem Seefahrerleben, denn ich zählte an Jahren nun beinahe dreißig und sehnte mich nach dem Land und meinem warmen Bett mit Anne Katherine.
    Als die Sache mit der Armada erledigt war, die Spanier geschlagen, sprach ich mit Anne Katherine über mein Vorhaben. Ich fürchtete, sie würde Einwände erheben, daß ich als Freibeuter ging, wie Frauen manchmal an solchen Dingen Anstoß nehmen, doch nicht sie. Mit einem Lächeln, das so breit war wie die Sonne, sagte sie: »Auf alle Fälle, geh und ernte Gold. Denn die Spanier stehlen es nur von den armen Indianern und haben nur den Anspruch darauf, den der Teufel ihnen gibt. Warum sollten wir uns nicht auch einen Teil des Goldes zu Nutzen machen, die wir ein friedliches Volk sind, das Gott liebt?«
    Auch Henry gab mir seinen Segen. Ich glaube, ich war ihm nur hinderlich – der unglückliche junge Bruder –, und er hoffte, nach dieser Reise würde ich endlich fest im Leben stehen. Er selbst war zu dieser Zeit schon ein bekannter Mann, der sich Walter Raleigh angeschlossen hatte, und plante mit ihm eine Expedition zur Suche des großen Schatzes von El Dorado in Guayana. Einige Jahre später unternahm er die Reise auch, aber er ließ für seine Mühen seine Knochen am Ufer des Orinoco zurück, doch davon weiß ich nur wenig.
    Cocke brachte das Geld auf und kaufte zwei Pinassen von je fünfzig Tonnen, die May-Morning und die Dolphin. Am zwanzigsten April des Jahres 1589 brachen wir von der Themsemündung aus auf; die gesamte Nacht zuvor hatte ich in den Armen meiner Anne Katherine verbracht, und ich hatte noch den Duft ihrer süßen Brüste in den Nüstern, als wir in die fettigen Nebel stachen. »Wann wirst du zurück sein?« fragte sie mich in der Stunde vor der Morgendämmerung, und ich sagte: »Vor Weihnachten, mit Börsen voller goldener Dublonen, und wir werden bis zum Dreikönigstag verheiratet sein.« Obwohl sie keinen Augenblick Schlaf bekommen hatte, waren ihre Augen hell, und ihr Gesicht war frisch und klar, und ich sah die Liebe und Gottes Barmherzigkeit in ihrem schönen Lächeln. Sie zählte damals an Jahren achtzehn, wurde beinahe schon etwas zu alt für eine Ehe, und ich bereute bitterlich den Jahresaufschub. Doch ohne Gold konnte ich nicht heiraten, wenn wir danach geziemend leben wollten.
    Auf all meinen Wanderungen hat sich das Bild von Anne Katherine heller in mein Gedächtnis gebrannt als die Gesichter der Heiligen bei den Papisten. Doch gar viele wunderliche Dinge widerfuhren mir, bevor ich dieses Gesicht wiedersah, und daß ich es schließlich wiedersah, war ein seltsames Geschick. Doch von dieser Geschichte im passenden Augenblick.
    Am sechsundzwanzigsten April liefen wir Plymouth an, wo wir Proviant für die Reise aufnahmen. Am siebenten Mai stachen wir in See, doch schlechtes Wetter verschlug uns nach Plymouth zurück, wo wir einige Tage ausharrten und dann unsere Reise fortsetzten. Als England hinter uns außer Sicht fiel, sah ich die große gekrümmte grüne Erdkugel des offenen Meeres und schrie vor Freude auf, denn ich war zu guter Letzt auf dem Weg in die Welt hinaus, in dieses gewaltige runde Ding voller Wunder und Pracht und Staunen.
    Die Küste von Spanien und der Berberei entlangfahrend, durchquerten wir die Straße von Santa Cruz de Tenerife, eine der Inseln, die man die Kanarischen nennt. Hier atmete ich die milde Luft der Länder des ewigen Frühlings, mit so vielen Wohlgerüchen darin, daß sie mich ungezügelt machte. Jesus! Solche Schönheit und Fremdartigkeit! Ich hatte einen Freund an Bord des Schiffes, Thomas Tomer aus Essex, der schon vorher durch die Straße von Teneriffa gefahren ist, und Tomer sagte zu mir: »Dies ist die Insel des Regenbaumes, der jeden Mittag von einer Wolke umhüllt wird. Die großen Äste des Baumes nehmen viel Feuchtigkeit auf, die schnell hinabfließt, um in großen Rinnsalen von seinen Wurzeln in gewisse Zisternen in der Nähe zu strömen. Und der gesamte Wasservorrat der Insel rührt von diesem einen Baum her.«
    Meine Augen wurden groß, und mein Herz schlug heftig. Denn ich hatte diese Reise angetreten, um Gold zu erlangen, aye, doch auch, um Wunder zu schauen. Der Regenbaum von Teneriffa! Nun, so sei es. Weiß Gott, ich sah keinen solchen Baum dort, obwohl ich einen anderen fand, von dem ich viel gehört hatte. Dies war der berühmte Drachenblutbaum, von dem scharlachrotes Blut tropfte. Wie man ihn mir
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