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Herr der Daemmerung

Herr der Daemmerung

Titel: Herr der Daemmerung
Autoren: Lisa J. Smith
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Das Kind hatte flammend rotes Haar und Augen, die weder silbern noch blau waren. Und es hatte solche Angst...
    Ein weiterer Blitz. Ein hochgewachsener Mann, der auf das Kind zukam. Der sich umdrehte und sich schützend davorstellte. »Lass sie in Ruhe! Es ist nicht ihre Schuld. Sie braucht nicht zu sterben!«
    Papa.
    Ihre Eltern, getötet, als sie vier gewesen war. Hingerichtet von Vampirjägern ...
    Ein weiterer Blitz, und sie sah einen Kampf. Blut. Dunkle Gestalten, die mit ihrer Mutter und ihrem Vater rangen. Und Schreie, die sie nicht ganz verstehen konnte.
    Und dann hob eine der dunklen Gestalten das kleine Mädchen in der Ecke hoch ... Und Jez sah, dass der Mann Reißzähne hatte. Er war kein Vampirjäger; er war ein Vampir.
    Und das kleine Mädchen, dessen Mund zu einem Heulen geöffnet war, hatte keine.
    Urplötzlich konnte Jez die Schreie verstehen.
    »Tötet sie! Tötet den Menschen! Tötet die Missgeburt!«
    Sie schrien es ihretwegen.
    ***
    Jez kam wieder zu sich. Sie war in Muir Woods und kniete in den Farnen und dem Moos, während der Skinhead geduckt vor ihr kauerte. Alles war genauso wie vorher ... Aber alles war anders. Sie war benommen und verängstigt.
    Was bedeutete das?
    Das war nur eine bizarre Halluzination. So musste es sein. Sie wusste, wie ihre Eltern gestorben waren. Ihre Mutter war von Vampirjägern ermordet worden. Ihr Vater war tödlich verletzt worden, aber er hatte es geschafft, die vier Jahre alte Jez zum Haus seines Bruders zu tragen, bevor er gestorben war. Onkel Bracken hatte sie großgezogen, und er hatte ihr die Geschichte wieder und wieder erzählt.
    Aber diese Schreie ...
    Es bedeutete nichts. Es konnte nichts bedeuten. Sie war Jez Redfern, mehr Vampir als jeder andere, mehr noch als Morgead. Von allen Lamia, den Vampiren, die Kinder haben konnten, war ihre Familie die wichtigste. Ihr Onkel Bracken war ein Vampir, genau wie sein Vater und der Vater seines Vaters, bis zurück zu Hunter Redfern.
    Aber ihre Mutter ...
    Was wusste sie über die Familie ihrer Mutter? Gar nichts. Onkel Bracken hatte nur gesagt, dass sie von der Ostküste gekommen seien.
    Etwas in Jez zitterte. Sie wollte sich die nächste Frage nicht stellen, aber die Worte kamen ihr trotzdem in den Sinn, stumpf und unausweichlich.
    Was, wenn ihre Mutter menschlich gewesen war?
    Was war dann Jez?
    Nein. Es war unmöglich. Es war nicht nur so, dass das Gesetz der Nachtwelt Vampiren verbot, sich in Menschen zu verlieben. Es war vielmehr so, dass es so etwas wie eine Kreuzung aus Vampir und Mensch gar nicht gab.
    Es konnte einfach nicht sein; es war in 20000 Jahren nicht geschehen. Jeder, der so etwas war, wäre ein Freak, eine Missgeburt...
    Das Zittern in ihr wurde schlimmer.
    Sie stand langsam auf und nahm nur vage wahr, dass der Skinhead einen Laut der Angst von sich gab. Sie konnte sich nicht auf ihn konzentrieren. Sie starrte zwischen die Mammutbäume.
    Wenn es die Wahrheit war ... Es konnte nicht wahr sein. Aber wenn es wahr wäre ... Sie würde alles aufgeben müssen. Onkel Bracken. Die Gang.
    Und Morgead. Sie würde Morgead aufgeben müssen. Aus irgendeinem Grund krampfte sich ihre Kehle bei diesem Gedanken zusammen.
    Und wohin würde sie gehen? Welchen Ort gab es für einen Freak, der halb Mensch, halb Vampir war?
    Keinen in der Nachtwelt. So viel stand fest. Die Nachtleute würden jede derartige Kreatur töten.
    Der Skin gab einen weiteren Laut von sich. Ein kleines Wimmern. Jez blinzelte und sah ihn an.
    Es konnte nicht wahr sein, aber ganz plötzlich interessierte es sie nicht mehr, ihn zu töten. Tatsächlich beschlich sie langsam ein Gefühl des Grauens, als zähle ihr Gehirn all die Menschen zusammen, die sie im Laufe der Jahre verletzt und getötet hatte. Irgendetwas übernahm ihre Beine und ließ ihre Knie weich werden. Irgendetwas drückte ihr die Brust zusammen und gab ihr das Gefühl, als würde sie sich übergeben müssen.
    »Mach, dass du wegkommst«, flüsterte sie dem Skinhead zu.
    Er schloss die Augen. Als er sprach, war es eine Art Stöhnen. »Du wirst mich einfach jagen.«
    »Nein.« Aber sie verstand seine Angst. Sie war eine Jägerin. Sie hatte schon so viele gejagt. So viele Menschen ...
    Jez schauderte heftig und schloss die Augen. Es war, als habe sie plötzlich in einen Spiegel gesehen, und ein unerträgliches Bild erblickt. Es war nicht Jez, die Stolze, Entschlossene, Schöne. Es war Jez, die Mörderin.
    Ich muss die anderen aufhalten.
    Ihr telepathischer Ruf war beinahe ein Schrei.
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