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Herbstfraß

Herbstfraß

Titel: Herbstfraß
Autoren: Sandra Busch
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Nolte sicherlich nicht interessieren wird.
    „Ich muss dir die Hände fesseln. Wir wollen schließlich nicht, dass du um dich schlägst und dabei versehentlich deinen Spielleiter triffst“, erklärt Nolte sein Tun und verklebt sorgfältig das Ende des Panzertapes. Welchen Grund sollte er mir geben, dass ich um mich schlagen will? Er dreht mich so, dass ich nun direkt vor der Wand stehe und mich mit den schmerzenden Armen auf Brusthöhe gegen den Beton lehnen kann. Es fällt mir wahnsinnig schwer, mich aufrecht zu halten. Meine Knie sind weich wie Pudding und ich habe eine Scheißangst.
    Lenk ihn ab, schießt es mir durchs Hirn.
    „Du warst derjenige, dem Ingo hinterher spioniert hat, nicht wahr?“, plappere ich in meiner Furcht drauf los. Vielleicht gelingt es mir auf diese Weise Zeit zu gewinnen. Im Fernsehen funktioniert das immer. Der Gefangene redet auf den Täter ein und hält ihn solange hin, bis die Rettung erscheint. Leider habe ich keine Ahnung, wer uns retten könnte. Niemand weiß, wo wir uns befinden. Vielleicht werden wir nicht einmal vermisst. Gerne hätte ich einen Blick auf die Uhr geworfen, ob es Louisa schon aufgefallen ist, dass Bo und ich heute nicht im Büro waren.
    Nolte tätschelt mir die Wange, was wehtut, da sich dort der Messerschnitt befindet. Und tatsächlich. Er lässt sich auf mein Geschwätz ein.
    „Du bist ein schlaues Kerlchen, Robin. Als ich am Donnerstag nach Hause kam, hat der Bengel Blut an meiner Kleidung entdeckt. Meine Erklärungen haben ihn offenbar nicht zufriedengestellt. Dann habe ich am Freitag gemerkt, dass er mir zum Bahnhof gefolgt ist. Er hat beobachtet, wie ich mich auf die Suche nach einem neuen Mitspieler begeben habe. Auf dem Parkplatz wollte Ingo mich schließlich zur Rede stellen. Er ging davon aus, dass ich fremdgehe und Antonia mit jemandem betrüge, der auf sadomasochistische Spielereien steht. Natürlich habe ich das abgestritten. Es war Ingos Fehler mir nicht zu glauben. Und plötzlich ist mir in den Sinn gekommen, Ingo an dem großen Spiel teilhaben zu lassen. Daher habe ich ihn aufgefordert, mit der Bahn nach Hause zu fahren. Ich wollte ja nicht, dass uns jemand gemeinsam wegfahren sieht. Wenig später habe ich ihn beim Umsteigen geschnappt und hierher zum Bunker mitgenommen. Er hatte zunächst eine ziemlich große Klappe, allerdings hat das Master Cutlery sein Verhalten ganz schnell geändert. Robin, du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich die letzten Tage genossen habe.“
    Wie gelähmt stehe ich da und höre dem Nolte zu. Der Typ ist absolut krank, total ausgetickt. Er gibt es locker zu, dass er es genossen hat, seinen eigenen Stiefsohn zu verstümmeln? Was für ein krankes Hirn!
    „Ich verstehe wirklich nicht, wieso Ingo aus dem Spiel ausgestiegen ist“, sagt Nolte abwesend. „Es war so perfekt. Vollkommen …“
    „Hngfff.“ Das kommt von Bo. Ich zucke zusammen, denn der Nolte packt mich jetzt kurz oberhalb meiner Sneakers am Knöchel. Beinahe wäre ich gefallen, da meine Gliedmaßen wie aus Gummi wirken. Wenigstens meine Füße befreit er mir, sodass ich mit leicht gespreizten Beinen und weiterhin an die Wand gelehnt leichter stehen kann.
    „Genug von Ingo. Er hat mich schwer enttäuscht.“ Nolte fummelt an meinen Schuhen herum. Öffnet er etwa meine Schnürsenkel?
    „Rain… Rambo, was machst du da? Es ist saukalt …“
    „Mit Schuhen ist es ungemütlich.“
    Aha! Und mit Socken offenkundig auch, da er mir die ebenfalls auszieht. Brrrrr, der Boden ist eisig. Aber ich habe das dumpfe Gefühl, dass ich mir über eine Lungenentzündung keine Gedanken machen muss.
    „Und der Aschendorff? Ingos Vater?“, rede ich hektisch weiter, in der Hoffnung, ihn damit in seinem Vorhaben aufzuhalten. Meine Zehen krümmen sich derweilen vor Kälte zusammen. Noltes Finger graben sich in den Bund meiner Jeans.
    „Ah, der Treppensturz auf seiner Geburtstagsfeier. Was denkst du, Robin?“, fragt mich Nolte so dicht an meinem Ohr, dass seine Lippen mich streifen. Mühsam unterdrücke ich ein Erschauern.
    „Kein Unfall“, flüstere ich. Von Anfang an hatte Bo mit seinen Ahnungen Nolte betreffend recht gehabt. Und ich großartiger Detektiv sagte noch, dass Nolte keine Leichen im Keller hätte. Im Keller liegen tatsächlich keine, die hat der gute Mann alle in den Bunker geschafft. Ach nein, nicht der Nolte, sondern der Vorstadt-Rambo mit der goldenen Nickelbrille.
    „Ich hatte schon lange geplant, Lauritz aus dem großen Spiel des Lebens zu nehmen.
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