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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf
Autoren: Tom Sharpe
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Empfehlung, dem Autor ein Stipendium für eine Arbeit über Architektonischen Semantizismus – oder wahlweise Zementizismus – zu gewähren. Ähnliches Aufsehen erregte die von der Leiterin der Hauswirtschaft vorgelegte Monographie über »Diätetische Fortschritte bei mehrphasiger Anstaltsproviantierung«, gegen die Dr. Mayfield Vorbehalte anmeldete, da seiner Ansicht nach die Überbetonung von Leberfrikadellen und Queenspudding in gewissen Kreisen zu Mißverständnissen führen könne. Dr. Cox, Leiter der Wissenschaft, wollte wissen, was eigentlich eine mehrphasige Anstalt sei und was, zum Kuckuck, es denn an Leberfrikadellen auszusetzen gäbe, denn ihn habe man schließlich damit großgezogen. Dr. Mayfield hatte daraufhin erklärt, er habe auf Homos angespielt, worauf die Leiterin der Hauswirtschaft energisch bestritt, eine Feministin zu sein, und damit nur noch mehr Verwirrung stiftete. Wilt hatte der ganzen Debatte in fassungslosem Schweigen beigewohnt und sichähnlich wie jetzt, über die kuriose neumodische Annahme gewundert, man könne Tätigkeiten einfach dadurch verändern, daß man sie anders benannte. Ein Koch blieb ein Koch, auch wenn man ihn als Kulinarwissenschaftler titulierte. Gerade überlegte er, wie lange es wohl noch dauern würde, bis man ihn als Pädagogikwissenschaftler oder gar als Beauftragten für Geistesveredlung bezeichnen würde, als ihn die Frage der Kontaktstunden aus seinen Tagträumen riß. »Wenn ich eine Aufgliederung der abteilungsinternen Stundenplanbeschaffenheit auf der Grundlage realzeitlicher Kontaktstunden bekommen könnte«, erklärte Dr. Mayfield, »könnten wir die Überschneidungsbereiche, in denen sich unser Lehrkörpervolumen unter den gegenwärtigen Umständen bei einer Kosten-Nutzen-Analyse als entwicklungsunfähig erweisen würde, computertechnisch erfassen.«
    Es herrschte Schweigen, während die einzelnen Abteilungsleiter versuchten, den Sinn von Mayfields Worten zu ergründen. Als Dr. Board schnaubte, biß der Direktor sofort an und fragte erwartungsvoll: »Nun, Board?«
    »Nicht sonderlich«, meinte der Leiter der Modernen Sprachen, »aber trotzdem, danke für die Nachfrage.«
    »Sie wissen ganz genau, worauf Dr. Mayfield hinaus will.«
    »Allenfalls aufgrund langjähriger Erfahrung und linguistischen Rätselratens«, entgegnete Dr. Board. »Was mich im Augenblick etwas verwirrt, ist seine Verwendung des Ausdrucks ›realzeitliche Kontaktstunden‹. Also, meinem Sprachverständnis zufolge ...«
    »Dr. Board«, unterbrach ihn der Direktor, der sich nichts sehnlicher wünschte, als diesen Menschen zu feuern, »was wir erfahren wollen, ist ganz einfach die Anzahl der Kontaktstunden, die die Angehörigen ihrer Abteilung pro Woche absolvieren.«
    Demonstrativ und ausführlich konsultierte Dr. Board sein kleines Notizbuch. »Keine«, sagte er schließlich.
    »Keine?«
    »Genau das sagte ich.«
    »Wollen Sie damit etwa andeuten, daß Ihre Leute überhaupt keinerlei regulären Unterricht abhalten? Das ist doch infam! Überhaupt bin ich ...«
    »Von Unterrichten habe ich nichts gesagt; es hat mich auch niemand danach gefragt. Dr. Mayfield erkundigte sich ganz gezielt nach ›realzeitlichen ...‹«
    »Zum Teufel mit der Realzeit! Was er meint, ist die tatsächliche Zeit.«
    »Ich auch«, entgegnete Dr. Board, »und falls einer meiner Dozenten seine Schüler auch nur eine Minute lang berühren sollte, von einer Stunde ganz zu schweigen, dann würde ich ...«
    »Board«, schnaubte der Direktor, »Sie haben meine Geduld lange genug strapaziert. Beantworten Sie die Frage.«
    »Das habe ich. Kontakt bedeutet Berührung, also muß eine Kontaktstunde eine Berührungsstunde sein. Daran führt kein Weg vorbei. Da können Sie in jedem Wörterbuch nachschlagen und werden feststellen, daß es unmittelbar vom lateinischen contactas abgeleitet ist. Der Infinitiv ist contigere und das Partizip Perfect contactum; und Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, es heißt allemal berühren. Unterrichten kann es einfach nicht bedeuten.«
    »Gütiger Himmel«, quetschte der Direktor zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, aber Dr. Board war noch nicht fertig.
    »Nun weiß ich ja nicht, zu welchem Unterrichtsstil Dr. Mayfield seine Leute in der Soziologie anhält, und ich könnte mir gut vorstellen, daß er ein Faible für, sagen wir mal, handfesten Unterricht hat, volkstümlich meines Wissens auch ›Gruppengrapschen‹ genannt, aber in meiner Abteilung ...«
    »Halten Sie
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