Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf
Autoren: Tom Sharpe
Vom Netzwerk:
erzähle.«
    »Sorge bloß dafür, daß Mavis Mottram nicht Wind von dieser Sache kriegt«, sagte Braintree, als sie ihr Bier ausgetrunken hatten und die Kneipe verließen. »Sie ist mächtig bei der Aktion ›Kampf dem Atomtod‹ engagiert. Betty hat sie schon kräftig bearbeitet, und es wundert mich nur, daß sie Eva dafür noch nicht gewonnen hat.«
    »Probiert hat sie es schon, aber diesmal hat es ausnahmsweise nicht geklappt. Eva hat mit den Vierlingen zuviel um die Ohren, um bei Protestdemonstrationen mitzumachen.«
    »Trotzdem würde ich über den Job im Luftwaffenstützpunkt nichts verlauten lassen. Oder willst du, daß Mavis vor deinem Haus Streikposten steht?«
    Wilt war sich da gar nicht so sicher. »Ach, ich weiß nicht recht. Vielleicht würde uns das bei den Nachbarn etwas beliebter machen. In deren Dickschädeln hat sich nämlich die Meinung eingenistet, ich sei entweder ein potentieller Massenmörder oder ein linksradikaler Revolutionär, weil ich an der Berufsschule unterrichte. Von Mavis aufgrund der völlig irrigen Annahme, ich sei ein Raketenstationierungsbefürworter, unter Kuratel gestellt zu werden, könnte mein Image verbessern.« Quer über den Friedhof gingen sie zurück zur Berufsschule.
    In ihrem Haus in der Oakhurst Avenue 45 genoß Eva Wilt einen ihrer besseren Tage. Für Eva gab es Tage, bessere Tage und jene bewußten Tage. Tage, das waren eben so Tage, an denen nichts schiefging und die Vierlinge sich ohne allzugroßes Gezeter in die Schule bringen ließen, worauf sie die Hausarbeit erledigte, einkaufen ging, mittags einen Thunfischsalat aß, danach eine halbe Stunde flickte, etwas im Garten anpflanzte und schließlich die Kinder wieder von der Schule abholte, ohne daß etwas besonders Widerwärtiges passierte. An jenen bewußten Tagen ging alles schief: Die Vierlinge stritten vor, während und nach dem Frühstück, Henry platzte deswegen der Kragen, so daß Eva gar nichts anderes übrigblieb, als die Mädchen zu verteidigen, obwohl sie genau wußte, daß er recht hatte. Dann blieb das Toastbrot im Toaster stecken, sie lieferte die Mädchen zu spät in der Schule ab, der Staubsauger streikte oder die Klospülung funktionierte nicht, und irgendwie schien sich alles gegen sie verschworen zu haben, so daß sie versucht war, sich vor dem Mittagessen ein Glas Sherry zu genehmigen, was wiederum den Nachteil hatte, daß sie hinterher ein Schläfchen benötigen und den Rest des Tages damit zubringen würde, das versäumte Arbeitspensum wieder aufzuholen.
    An ihren besseren Tagen erledigte sie dieselben Dinge wie an normalen Tagen, fühlte sich aber irgendwie von dem Gedanken beflügelt, daß die Vierlinge auf der Schule für Hochbegabte wahre Wunderdinge vollbrächten und ihre Stipendien schon sicher in der Tasche hätten und eines Tages als Ärztinnen oder Wissenschaftlerinnen oder irgend etwas wahnsinnig Kreatives ins Leben hinaustreten würden, und daß man einfach dankbar sein mußte, in einer Zeit zu leben, in der einem all dies möglich war und nicht mehr so wie früher, als sie ein Mädchen war und tun mußte, was man ihr sagte.
    An solchen Tagen spielte sie sogar mit dem Gedanken, ihre Mutter zu sich ins Haus zu holen, anstatt sie im Altersheim in Luton zu lassen und dafür das ganze Geld zum Fenster hinauszuwerfen. Natürlich erwog sie das nur, weil Henry die alte Dame nicht ausstehen konnte und bereits angedroht hatte, auf der Stelle auszuziehen und sich eine andere Bleibe zu suchen, falls sie je länger als drei Tage im Haus bleiben sollte. »Ich dulde es nicht, daß diese alte Schachtel mit ihren Glimmstengeln und ihren ekelhaften Gewohnheiten die Atmosphäre verpestet«, hatte er in einer derartigen Lautstärke gebrüllt, daß Mrs. Hoggart, die sich zu diesem Zeitpunkt im Badezimmer aufgehalten hatte, nicht einmal ihr Hörgerät benötigte, um im wesentlichen mitzukriegen, worum es ging. »Und noch etwas. Wenn ich das nächste Mal zum Frühstück herunterkomme und feststellen muß, daß sie einen Schuß Brandy in die Teekanne getan hat – und noch dazu meinen –, dann drehe ich der alten Hexe den Hals um.«
    »Du hast kein Recht, so von ihr zu reden. Schließlich gehört sie zur Familie ...«
    »Familie?« kreischte Wilt. »Und ob sie dazu gehört! Bloß zu deiner, nicht zu meiner. Hetze ich dir vielleicht meinen Vater auf den Hals?«
    »Dein Vater stinkt wie ein alter Dachs«, gab Eva zurück. »Hygiene ist für den ein Fremdwort. Mutter wäscht sich wenigstens.«
    »Das hat
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher