Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf
Autoren: Tom Sharpe
Vom Netzwerk:
seine Vorbehalte, behielt sie jedoch für sich. »Ich glaube, das liegt in der Familie«, bemerkte er weise.
    Während des vierzehntägigen Prozesses hatte Flints Name fast täglich im Ipford Chronicle gestanden und sogar in einigen überregionalen Tageszeitungen. Auch in der Polizeikantine wurde sein Loblied gesungen. Flint, der Rauschgiftringknacker. Flint, der Schrecken des Gerichtssaals. Trotz aller Anstrengungen, die die Verteidigung – berechtigterweise – unternommen hatte, um die Rechtmäßigkeit seiner Methoden in Frage zu stellen, hatte Flint mit Fakten und Diagrammen, Orts- und Zeitangaben, Daten und Beweisstücken gekontert, die samt und sonders authentisch waren. Als er den Zeugenstand verließ, haftete ihm nach wie vor das Image des altmodischen Bullen an, dessen Integrität durch die Anschuldigungen nur noch gesteigert wurde. Der Öffentlichkeit genügte es, den Blick von ihm auf die Riege jämmerlicher Gestalten auf der Anklagebank wandern zu lassen, um zu sehen, wo die Macht der Gerechtigkeit lag. Freilich waren auch der Richter und die Geschworenen überzeugt gewesen. Die Angeklagten waren zu Haftstrafen zwischen neun und zwölf Jahren verdonnert, und Flint war befördert worden.
    Doch Flints eigentliches Verdienst lag außerhalb des Gerichtssaals in Bereichen, in denen noch immer Diskretion herrschte.
    »Sie soll das Zeug von ihren Vettern aus Kalifornien mitgebracht haben?« sprudelte Lord Lynchknowle heraus, als ihm der Polizeidirektor einen Besuch abstattete. »Davon glaube ich kein Wort. Eine glatte Lüge.«
    »Ich fürchte nicht, alter Junge. Wir sind absolut sicher. Sie hat das Zeug in einer Flasche zollfreiem Whisky eingeschmuggelt.«
    »Guter Gott. Ich dachte, sie hätte es in dieser verdammten Berufsschule gekriegt. War sowieso nie damit einverstanden, daß sie da hinging. Nur die Schuld ihrer Mutter.« Er schwieg eine Weile und schaute mit leerem Blick hinaus auf seinen gepflegten Rasen. »Wie, sagten Sie, heißt das Zeug?«
    »Leichenbalsam«, sagte der Polizeidirektor. »Oder Engelsstaub. Meistens wird es geraucht.«
    »Begreife nicht, wie man Leichenbalsam rauchen kann«, sagte Lord Lynchknowle. »Aber wer versteht schließlich schon die Frauen.«
    »Niemand«, sagte der Polizeidirektor und überließ ihn mit der Versicherung, daß der amtliche Leichenbeschauer Tod durch Unfall feststellen würde, seinem Schicksal, nämlich mit anderen Frauen fertig zu werden, deren Verhalten für ihn unbegreiflich war.
    Die heftigsten Konsequenzen zog Hodges Besessenheit in puncto Familie Wilt für Baconheath nach sich. Frauen aus dem ganzen Land hatten sich Mavis Mottrams Bewegung ›Mütter gegen die Bombe‹ vor den Toren des Stützpunkts angeschlossen, so daß die Demonstration zusehends an Umfang gewann. Am Umgrenzungszaun entlang hatten sie ein Camp aus Behelfshütten und Zelten errichtet, und natürlich trug es nicht gerade zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den Amerikanern und der Polizei von Fenland bei, als das Fernsehen zeigte, wie äußerst respektable britische Frauen mittleren Alters mit Gas betäubt und in Handschellen in getarnte Krankenwagen geschleift wurden.
    Noch prekärer wurde die Angelegenheit dadurch, daß Mavis’ Taktik der Blockierung der Zivilquartiere zu wiederholten heftigen Auseinandersetzungen zwischen US-Frauen, die der Langeweile des Stützpunkts entfliehen und nach Ipford oder Norwich auf Souvenirjagd gehen wollten, und Bomben-Müttern führten, die sich weigerten, sie rauszulassen oder sie zwar hinaus ließen, nicht aber wieder hinein, was die Stimmung nur noch mehr anheizte. Auf dem Bildschirm bekam man derlei spektakuläre Szenen mit einer Regelmäßigkeit zu sehen, die zwangsläufig eine Kontroverse zwischen dem Innenminister und dem Verteidigungsminister auslöste; jeder schob dem anderen die Verantwortung für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung zu. Profitiert hatte einzig und allein Patrick Mottram. In Mavis’ Abwesenheit hatte er Dr. Kores’ Hormone abgesetzt und seine früheren Gewohnheiten mit Besucherinnen der Volkshochschule wieder aufgenommen.
    Auch innerhalb des Stützpunkts hatte sich alles verändert. General Belmonte, der noch immer an den Folgen jenes Schauspiels litt, daß sich ein gigantischer Penis vor seinen Augen selbst beschnitt, sich in eine Rakete verwandelte und explodierte, war in ein Heim für geistesgestörte Veteranen in Arizona verfrachtet worden, wo er, mit Beruhigungsmitteln vollgepumpt, in der Sonne sitzen und von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher