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Henker-Beichte

Henker-Beichte

Titel: Henker-Beichte
Autoren: Jason Dark
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daran dachte, fing er an zu zittern. Seine Kehle trocknete aus. Der Schweiß drang stärker aus den Poren, und Cresson störte sich an dessen Geruch.
    Er zog seine alte Jacke fester um den Körper, als könnte diese ihn schützen. Das war wohl Illusion. Das alte Beil war scharf genug, um alles zu durchdringen. Er wußte es aus Erfahrung, denn es war jahrelang sein Begleiter gewesen. Es hatte kein Mitleid mit den Delinquenten gekannt, ebensowenig wie er selbst.
    Noch einmal schaute er sich um.
    Gefahr sah er nicht.
    Der Boden in seiner Nähe blieb schattenlos. Cresson schaute sicherheitshalber auch zur Decke, doch dort war das verfluchte Beil ebenfalls nicht.
    Sein Gesicht verzog sich. Jemand hatte ihm mal gesagt, daß er Ähnlichkeit hätte mit dem großen Mimen Jean Gabin, der leider viel zu früh verstorben war. Ob es dem jetzt besser ging als Cresson, darüber dachte der Mann nach. Gabin hatte es zumindest hinter sich, während Cressons Zukunft sehr problematisch werden würde.
    Er war im zehnten Arrondissement ausgestiegen. Fragte ein Fremder einen Einheimischen nach dem Reiz dieser Gegend, würde ihn der Pariser auslachen oder nur die Schultern heben, denn mit touristischen Attraktionen war dieser Stadtteil nur dünn gesät. Nord- und Ostbahnhof, das war alles, was die Leute zu diesem Gebiet sagten. Dabei vergaßen sie zumeist eine der erlessensten Schönheiten von Paris, den Canal Saint-Martin, mit seinen Brücken und Schleusen sowie den alten Häusern.
    Profitgeier schreckten nicht davor zurück, die alte Kulisse zu zerstören.
    Sie rissen die schönen alten Häuser ab und setzten neue, größere hin.
    Aber es war noch genug Flair geblieben, auch wenn die Huren in der Rue Saint Denis weniger geworden waren.
    Cresson wohnte nicht weit von diesen Nachfolgerinnen der Irma la Douce entfernt, deren Probleme er kannte, da er sich oft genug mit ihnen unterhielt.
    Er würde sich zu Fuß auf den Heimweg machen und wie ein Dieb an den alten Fassaden entlangschleichen. Man kannte ihn hier im Viertel, man wußte, wie er hieß, und man nahm ihm ab, wenn er erzählte, daß er aus dem Südosten stammte und jetzt als Rentner lebte, der sich einiges zusammengespart hatte.
    Das war tatsächlich der Fall. Als Henker hatte er gut verdient und sein Geld praktisch all die Jahre anlegen können. Wenn er nicht zu aufwendig lebte, würde es bis zu seinem Lebensende reichen, wobei er darüber freudlos lachen mußte, denn sein Leben konnte schon in der nächsten Minute beendet sein. Dann erbte niemand sein Geld, und die Bank-Geier würden noch reicher werden.
    Mit müden Schritten bewegte er sich auf die Treppe zu. Kalte Luft drang ihm entgegen. Paris atmete aus und war voller Gerüche.
    Fremde Gewürzmischungen drangen in seine Nase. Es roch nach Knoblauch und auch so wie in Afrika. Deshalb fühlte er sich in diesem Viertel so wohl. Wie lange noch? Cresson stieg die Stufen hoch.
    An der Wand gegenüber standen zwei Huren und rauchten einen Joint.
    Sie schauten kurz nach unten, als sie die Gestalt sahen, doch dann erkannten sie den Mann.
    »Ach, du bist es, Auguste!« Cresson hob die Hand.
    Die Sprecherin, eine Frau mit blonder Perücke, grinste über den breitgeschminkten Mund. »Kannst du nicht ein paar Kunden herzaubern?« fragte sie.
    »Ich würde es gerne, Nadine, wenn ich es könnte. War ‘ne miese Nacht, wie?«
    »Beschissen.«
    Beide nickten.
    Cresson hob die Hand. »Dann bis später mal. Ich denke, wir werden uns noch sehen.«
    Auguste Cresson war froh darüber, wenig später wieder die Oberwelt betreten zu haben.
    Der Himmel war finster. Es schimmerte kein Stern. Nur die Laternen boten der Finsternis Paroli.
    Der Kanal war zu riechen. Stehendes Wasser gab gerade bei tiefem Luftdruck einen fauligen Geruch ab, an den sich die Menschen in dieser Gegend allerdings gewöhnt hatten. Sie nahmen ihn kaum noch wahr.
    Die Nacht war zudem gnädig. Sie verdeckte die alten Fassaden und zeigte nicht, wie schlimm sie tatsächlich aussahen. In einem dieser Häuser lebte auch der ehemalige Henker. Er bewohnte eine kleine Bude im dritten Stock und hatte sich in einem Zimmer, in der Küche, noch eine Dusche einbauen lassen. Entsprechend eng war es seitdem in der
    ›Küche‹.
    Er ging über das alte Pflaster, ließ seine Blicke ab und zu über die dunkle Kanaloberfläche wandern, die manchmal wie ein gefärbter Spiegel wirkte, auf dem sich hin und wieder Lichtreflexe verloren, als wären einige Sterne durch die Wolken nach unten gerutscht und
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