Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hendrikje, vorübergehend erschossen

Titel: Hendrikje, vorübergehend erschossen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
wohl an einem ungünstigen Platz bei der Kasse, denn er kam hinter der Kasse hervor und schob
     mich weg, ich stand ihm im Weg, und er ging zurück zu Sophie, weil der Farbkopierer irgendein Theater machte … naja, er hatte
     zu tun.«
    Doktor Palmenberg sieht Hendrikje schweigend an, und Hendrikje rutscht nervös in ihrem Sessel hin und her.
    »Ich war ja mit dem Rad unterwegs, also bin ich schnell zu Lisa gefahren. Lisa war gerade dabei, sich einen Loft ausbauen
     zu lassen. Sie wohnte damals noch in Schleswig-Holstein in einem Landhaus, das sie von ihren Eltern geerbt hatte, aber sie
     arbeitet in Hamburg als Rechtsanwältin, und um nicht jeden Tag hin- und herfahren zu müssen, hatte sie sich einen Dachboden
     in Hamburg gekauft und ließ den nun ausbauen. Naja, ich bin zu dieser Dachbodenbaustelle gefahren und da stand Lisa, schon
     in ihrer Robe, weil es ihr Gerichtstag war, und bei ihr stand Dieter. Ich hatte mein schönes rotes Rennrad geschultert und
     mit in den Loft gebracht, weil ich nicht wollte, dass es unten geklaut wird, und dieser Dieter war gleich ganz hingerissen
     von dem Rad und ich erlaubte ihm, damit rumzufahren, also nur oben auf dem Dachboden.«
    |28| »Hendrikje, lassen Sie mich hier kurz unterbrechen,« sagt Doktor Palmenberg, »als ich Ihnen sagte, dass hier in unseren Sitzungen
     alles erlaubt sei und Sie alles erzählen sollten, was Ihnen wichtig erscheint, da meinte ich natürlich schon die wesentlichen
     Dinge, die zu der Tat geführt haben. Sie sitzen hier, weil Sie – also gut, salopp gesagt – eineinhalb Menschen zu Tode gebracht
     haben, lassen Sie uns doch bitte bald zum Punkt kommen.«
    »Oh, aber das führt alles zum Punkt, ich beschränke mich ja bereits aufs Wesentliche, ich erzähle Ihnen hier nur die wichtigen
     Dinge!«
    »Gut, dann fahren Sie fort«, seufzt Doktor Palmenberg.
    »Ich erzählte Lisa überglücklich, dass Rothwein mich ausstellt, und sie freute sich mit mir. Sie wusste, dass das auch viel
     Geld für mich bedeuten konnte, und dass ich das Geld auch dringend nötig hatte, denn was ich an drei Tagen pro Woche im Café
     verdiente, das reichte natürlich nie aus, ich muss ja auch Farben kaufen und die Ateliermiete bezahlen und ich kann schließlich
     nicht noch auf Omis Rente mitleben. Lisa stellte mich Dieter als eine begnadete Künstlerin vor und gab richtig an mit mir.
     Sie führte mich durch den Loft, der wirklich schrecklich aussah. Es waren bereits schöne Panoramafenster eingebaut und Toiletten
     und ein Badezimmer, aber keine Küche, und im Estrich gab es noch tiefe Schlaglöcher, die Wände waren unverputzt, es sollten
     zusätzliche Trennwände eingezogen werden … und dafür hatte Lisa Dieter engagiert.
    Dieter war ein Mandant, den sie vor einer Gefängnisstrafe bewahrt hatte. Ihm waren 127 kleinere Aufknackereien von Zigarettenautomaten
     und Einbrüche in Kioske nachgewiesen worden, aber weil er nie in eine Wohnung eingebrochen war, hatte Lisa ihn auf Bewährung
     rausgekriegt. Sie hatte dem Richter versprochen, auf seine Resozialisierung in der |29| Arbeitswelt ein persönliches Auge zu werfen. Und das tat sie: Dieter sollte das Loft zu Ende bauen, und dafür durfte er sogar
     dort wohnen. Sie hatte ihm ein Feldbett organisiert und einen Tauchsieder, und Dieter sagte, das wär allemal besser als Knast.
    Und nun, als Lisa hörte, dass ich bei Rothwein ausstellen würde, da hatte sie auch gleich einen Job für mich. Ich sollte ihre
     Wände in dieser Wischtechnik bemalen, wie man das jetzt so hat. Ich freute mich und sagte zu, Job ist Job. Dann musste Lisa
     schnell zum Gericht und sagte, ich sollte die Details schon mal mit Dieter besprechen, also dass er die Wände dann auch gleich
     mit dem richtigen Putz verputzt, der sich am besten für die Wischtechnik eignet und so.
    Dann war sie weg und Dieter justierte die Gangschaltung an meinem schönen roten Rennrad neu, was ich schrecklich nett von
     ihm fand. Er sah ziemlich hübsch aus, er hatte schwarze lange Locken und stahlblaue Augen und einen muskulösen Körper. Also
     nicht, dass ich auf männliche Models stehe, aber Dieter war eine Augenweide. Er trug ein ärmelloses T-Shirt und deshalb konnte
     ich sein Segelschiff sehen. Er hat auf dem linken Oberarm ein Schiff mit acht Segeln tätowiert, und das fand ich wahnsinnig
     sexy. Ich war geradezu erschüttert und musste andauernd auf dieses tätowierte Segelschiff starren, das sogar einen tätowierten
     Namen hatte:
True Love
stand auf so
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher