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Hendrikje, vorübergehend erschossen

Titel: Hendrikje, vorübergehend erschossen
Autoren: dtv
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Mohnstrudel rein. Die Oma ruft
     noch: ›Ohne Sahne!‹, und meine Chefin hat das auch gehört, will aber trotzdem Sahne draufknallen, weil sie dann 30 Cent mehr
     nehmen kann. Ich kenn das schon, sie sagt dann der Oma, dass sie das nicht gehört hat, dass sie keine Sahne wollte, und dass
     aber doch die Sahne zum Mohnstrudel gehört wie die Elbe zu Hamburg, und dann lacht die Oma und Goebbels schmunzelt die Oma
     komplizenhaft an und sagt: ›Sie können sich das doch leisten!‹ Und die Oma fühlt sich geschmeichelt und zahlt die Sahne. Also.
     Goebbels will Sahne auf den nun endlich aus der Mikrowelle gekommenen Strudel machen und merkt, dass die Sahnemaschine leer
     ist. Weil ich vergessen habe, sie aufzufüllen. Riesentheater. Zeter und Mordio. In der Zwischenzeit hab ich drei Milchkaffee
     fertig gemacht und zwei Kännchen Tee, hab die Schulklasse abkassiert, wodurch es erforderlich wurde, mal eben schnell rüber
     zur Bank zu flitzen um Wechselgeld zu holen, denn die haben alle mit großen Scheinen bezahlt. Die Gäste, die in der Zwischenzeit
     neu dazugekommen sind, sind immer noch nicht bedient worden und werden langsam knatschig, und meine Chefin steht hinterm Tresen
     und raucht und sagt kopfschüttelnd: ›Mein Personal ist ein bissel überfordert …‹ Ich renne also an die neuen Tische und nehme
     die neuen Bestellungen auf, und meine Chefin poliert die Kuchengabeln mit einem feuchten Handtuch und sagt bei jeder einzelnen:
     ›Hier, Picasso! So muss das aussehen!‹ Und ich gucke und sage: ›In Ordnung! Denk ich in Zukunft dran‹, während ich schon die
     neuen Bestellungen mache: also wieder Mohnstrudel in die Mikrowelle und ein paar Cappuccini, |9| und wenn Goebbels merkt, dass der Schaum nicht ›steif wie der Knochen von Banderas‹ ist – sagen Sie bitte: ist das nicht dégoutant?
     – dann gießt sie die fertigen Cappuccini in den Ausguss, macht neue und stellt mir die weggegossenen Cappuccini in Rechnung.
     Zieht sie mir einfach vom Trinkgeld ab. Während ich also Bauklötze staunend daneben stehe und gucke, wie sie den Schaum –
     also bitte, wenn’s denn sein muss – so steif wie den Knochen von Banderas macht, renne ich mal eben an Tisch 8 bis 13, um
     den Saustall abzuräumen, den die Schulklasse hinterlassen hat, und trage das Geschirr zur Spülmaschine, die aber voll ist.
     Voll mit schmutzigem Geschirr, das die Kollegin vom Vortag hinterlassen hat. Dafür schreit Goebbels dann
mich
an, und ich verteidige die Kollegin vom Vortag, denn die Geschirrspülmaschine ist nur zu ungefähr sieben Achteln voll, und
     sie, Goebbels, predigt doch ewig, dass wir die Geschirrspülmaschine erst dann anschmeißen sollen, wenn sie zu neun Achteln
     voll ist, weil das Geschirrspülmittel für diese besonderen Gastronomiemaschinen, die eben besonders schnell arbeiten, so wahnsinnig
     teuer ist. Ich mache also die Maschine voll und stelle das schmutzige Geschirr von der Schulklasse oben drauf ab, und das
     führt dazu, dass wir plötzlich kein sauberes Geschirr mehr haben. Jetzt hat Goebbels festen Schaum, aber keine Tassen. Die
     neuen Gäste stehen auf und gehen. Ich bin ehrlich gesagt froh darüber, das gibt uns Gelegenheit, erst mal ein bisschen Grund
     in die Sache zu kriegen und neue belegte Brote zu schmieren, aber Goebbels meint, ich sollte jetzt mal den Kühlschrank auswaschen,
     den unteren, den verquasten, wo die Bierkästen stehen. Und da hab ich dann aber einmal
Nein
gesagt. Da hab ich ihr eiskalt ins Gesicht gesagt: ›Nee, jetzt schmiere ich belegte Brote, so ’ne günstige Gelegenheit kriege
     ich nie wieder.‹ Und da war sie still. Da hat sie nichts mehr gesagt. Und ich bin völlig seelenruhig zum |10| Kühlschrank, hab mir meinen Käse und meinen Schnittlauch und meinen Parmaschinken rausgeholt und hab neue Brote belegt, weil
     gleich würden ja die Stammgäste kommen.
    Goebbels hat ganz schön blöd geguckt bei so ’ner Befehlsverweigerung, aber sie musste natürlich das letzte Wort haben und
     meinte, den Bierkühlschrank sollte ich dann eben nach Feierabend auswaschen, als Gegenleistung schenkt sie mir die weggeschütteten
     Cappuccini und dann ist sie raus, weil sie sich Augenbrauen tätowieren lassen musste.
    Ich hatte meine Brote fertig, es war ein bisschen ruhiger jetzt, nur die Oma saß noch friedlich an ihrem Tisch, und ich dachte,
     ich könnte mir jetzt endlich die Zeitung schnappen. Das ist mein schönster Augenblick am ganzen Tag, wenn das Frühstücksgeschäft
    
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