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Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson

Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson

Titel: Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
Autoren: Vincent Bugliosi
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sich ihre Zustimmung zu sichern. Wie ich von Paul Watkins wusste, hatte Charlie immer eine kleinere Dosis LSD genommen als die anderen, um stets die Kontrolle zu behalten.
    Er setzte auch auf das Wiederholungsprinzip. Da er seinen Untertanen tagtäglich Vorträge und Predigten hielt, nahm er ihnen sukzessive und systematisch alle Hemmungen. So wie Manson einmal selbst im Prozess bekannte: »Wenn man jemandem etwas nur oft und lange genug einhämmert, dann kann man fast jeden von allem überzeugen. Er mag es vielleicht nicht hundertprozentig glauben, doch er wird sich trotzdem daraus seine Meinung bilden, vor allem wenn ihm keine andere Quelle zur Verfügung steht, um seine Meinung zu bilden.«
    Damit verwies er auf ein weiteres Schlüsselprinzip: Neben der Wiederholung bediente er sich der Isolation. Auf der Spahn Ranch gab es keine Zeitungen, keine Uhren. In der völligen Abgeschiedenheit und Ferne von der übrigen Gesellschaft schuf er seine eigene kleine Gesellschaft mit seinem eigenen Wertesystem. Es war ein ganzheitliches, hermetisch abgeschlossenes Gebilde, das zur Welt außerhalb der Enklave im krassen Gegensatz stand.
    Er benutzte Sex. Er hatte erkannt, dass die meisten Menschen sexuelle Hemmungen haben, und lehrte daher – in Theorie und Praxis –, dass Sex absolut nichts Unrechtes sei, und nahm seinen Gefolgsleuten alle Hemmungen und Schuldgefühle.
    Doch Sex war es nicht allein. Es ging auch um Liebe, eine Menge Liebe. Wollte man das leugnen, würde man eine der stärksten Verbindungen zwischen den Mitgliedern der Gruppe negieren. Die Liebe speiste sich aus dem gemeinsamen Erleben von Freud und Leid und aus ihrer Beziehung zu Charlie. Sie waren tatsächlich eine Art Familie, ein soziales Gebilde mit Brüdern, Schwestern, Ersatzmüttern, geeint durch die Machtstellung eines allwissenden, allmächtigen Patriarchen. Kochen, abwaschen, putzen, nähen – dieselben Alltagsverrichtungen, die ihnen zu Hause verhasst gewesen waren, erledigten sie jetzt bereitwillig, weil sie damit Charlie Freude machten.
    Äußerst wirkungsvoll setzte er das Phänomen Angst ein. Ob er seine Technik im Gefängnis oder später erlernte, ist nicht bekannt, doch sie gehörte zu den effizientesten Kontrollmechanismen in seiner Gefolgschaft. Vielleicht steckte aber auch noch mehr dahinter. Wie Philip Zimbardo, Professor an der Stanford University, der sich lange Zeit mit Verbrechen und ihren Auswirkungen beschäftigte, in einem Newsweek-Artikel schrieb: »Wenn man in seiner Umgebung ein höheres Maß an Angst erzeugt, erscheinen einem die eigenen Ängste normaler und gesellschaftlich akzeptabler.« Mansons eigene Angst grenzte an Paranoia.
    Er verkündete, dass das Leben ein Spiel sei, eine »magical mystery tour«, wie es bei den Beatles heißt, eine magische, fantastische Reise. Eines Tages würden sie Piraten mit Entermessern sein, die jeden, der es wagte, an Bord ihres imaginären Schiffs zu kommen, in Stücke schnitten, einen Tag später würden sie die Kostüme wechseln und sich als Indianer an Cowboys anschleichen oder als Teufel und Hexen Menschen mit einem Bann belegen. Ein Spiel, jedoch mit einem durchgängigen Muster: die anderen gegen uns. Dr. Hochman hatte berichtet: »Ich glaube, die Geschichte lehrt uns, dass man Menschen am leichtesten auf Mord programmieren kann, wenn man sie davon überzeugt, dass es sich bei den Opfern um radikal Fremde handelt, um die anderen im Gegensatz zu uns.«
    Krauts. Japsen. Schlitzaugen. Schweine.
    Mit dem ständigen Namens- und Rollenwechsel züchtete Manson seine eigene Schar von Schizophrenen heran. Die kleine Susan Atkins, die im Kirchenchor gesungen und ihre krebskranke, sterbende Mutter gepflegt hatte, hatte nichts mit den Taten von Sadie Mae Glutz zu tun.
    Er förderte ihren latenten Hass, ihre schlummernde Neigung zu sadistischer Gewalt zutage und lenkte sie auf einen gemeinsamen Feind, das Establishment. Er entpersönlichte die Opfer, indem er sie zu Feindsymbolen reduzierte. Denn es ist leichter, ein Symbol zu erstechen als einen Menschen.
    Er lehrte seine Anhänger eine vollkommen amoralische Philosophie und erteilte ihnen damit für ihre Taten die Absolution. Wenn alles richtig ist, kann nichts falsch sein. Wenn nichts real ist, wenn das ganze Leben nur ein Spiel ist, dann gibt es nichts zu bedauern.
    Wenn sie etwas brauchten, das sie nicht in den Mülltonnen oder im Kleiderhaufen der Kommune fanden, dann stahlen sie es. So folgte eines aufs andere: betteln,
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