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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition)
Autoren: Jonas Wolf
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und eines Geists der Rätsel und Verwirrungen.«
    »Sehr schmeichelhaft«, knurrte sein Gegenüber. »Dabei bin ich ein Mann der Wahrheit.«
    Mann? Wieso redete dieser Geist von sich als einem Mann? Teriasch gelangte zu einer beunruhigenden Vermutung. »Hat Pukemasu dich geschickt? Hat sie dich beschworen und dich darum gebeten, mich mit deinen Rätseln auf die Probe zu stellen?«
    »Was?«, fragte der Geist, als würde er sich dumm stellen.
    Teriaschs nächste Vermutung löste eine noch größere Beklemmung in ihm aus. »Oder bist du ein Geist des Todes, der mich dafür strafen will, allein an diesen Ort gekommen zu sein? Ist es das? Pukemasu erzählt doch ständig, ich würde jung sterben, denn wenn sie von mir träumt, träumt sie vom Tod.«
    »Junge …« Nun lächelte der Geist und verdrehte dabei die Augen. »Warum gebt ihr Menschen nur immer so viel auf die Träume alter Weiber, anstatt euren eigenen Träumen zu folgen?«
    Teriasch war sich mit einem Mal vollkommen sicher. Das ist ein Geist der Verwirrung. Einer, der sich als Feuergeist getarnt hat. Eben war er noch selbst ein Mann, jetzt sind es wieder wir Menschen, die auf die Träume der Alten hören. Er prüft mich wirklich. »Was möchtest du von mir hören?«, fragte er rasch. »Ein Rätsel, das du noch nie gehört hast?«
    Der Geist winkte ab. »So gern ich weiter mit dir reden würde, mein nackter Freund, muss ich leider befürchten, dass unsere Unterhaltung gleich vorüber ist.« Er zeigte auf einen Punkt in Teriaschs Rücken. »Ich gehe nämlich nicht davon aus, dass die Tendra Megun Romur in diesem Winkel der Welt so dicht beieinander wachsen, dass der Kerl da drüben mich auch sehen kann.«
    Der Geist meinte einen Mann, der am Rand der Senke aufgetaucht war. Er war unverkennbar einer der Harten Menschen: Auf seinem Brustpanzer spiegelte sich die Morgensonne, seine Züge waren unter der glatten Maske eines Helms verborgen, und er stützte sich auf eine Stangenwaffe, die halb Axt, halb Lanze war.
    »Ich würde dir empfehlen, die Beine in die Hand zu nehmen, Teriasch von den Schwarzen Pfeilen.« Der Geist zog sich die Kapuze tiefer ins Gesicht, setzte sich und hüllte sich ganz in seinen Umhang. »Das ist ein Menschenfänger.«
    Teriasch fragte sich erst, ob die abebbende Wirkung des Wurzelsuds seinen Sinnen einen üblen Streich spielte. Der Gedanke verflog so rasch, wie er entstanden war, verdrängt von einem anderen Einfall, der das Erscheinen des Fremden vielleicht erklärte. »Hast du ihn geschickt? Ist das Teil der Prüfung?«
    »Du bist hoffnungslos verrückt, Junge«, murmelte der Geist. »Oder dir ist in deiner Hütte das Hirn ausgetrocknet.«
    Der Harte Mensch kam den Abhang in die Senke hinunter. Sein schlendernder Gang verriet keinerlei Besorgnis. Er führte seine freie Hand zu einer Öffnung in der Helmmaske. Ein schriller Pfiff gellte über die Steppe.
    Da sind noch mehr, dämmerte es Teriasch. Er beherzigte den Ratschlag des Geistes und rannte los, fort von dem nahenden Mann mit der Axtlanze. Nach vier, fünf Schritten fiel ihm ein, dass er nackt und unbewaffnet war – und die Steppe keine Gnade kannte, selbst wenn er den Harten Menschen entwischen sollte. Er macht kehrt, spurtete zur Hütte, raffte die Tasche und seine Kleider auf. Er klemmte sich alles unter den Arm, um sich nach seiner Knochenkeule zu bücken.
    »Was machst du da?«, flüsterte der Geist ihm zu. »Lauf!«
    Der Harte Mensch zeigte sich von Teriaschs kopflosem Verhalten eher belustigt als bedroht, denn er verfiel zwar nun in einen leichten Trott, doch zugleich auch in ein grollendes Lachen.
    In Teriaschs Brust flammte eine beschämte Wut auf. »Hilf mir doch!«, rief er dem Geist zu. »Er wird mich töten.«
    »Wird er nicht«, gab der Geist flüsternd zurück. »Obwohl du dir noch wünschen wirst, er hätte es getan.«
    »Hilf mir!«, schrie Teriasch noch einmal. Er spürte, wie der Zorn in ihm schlagartig wuchs und aus ihm hinaus in die Welt strömte, auf der Suche nach neuer Nahrung, nach etwas, das er erfassen und sich untertan machen konnte. Wie damals, als er die Geier erreicht hatte, die über Geheka hergefallen waren. Oder noch viel weiter zurück in der Vergangenheit, die nicht mehr als eine blasse Erinnerung an Flammen, Hitze, Schreie und einen plötzlichen Schmerz in seiner Schulter war. Doch hier und heute griffen die unsichtbaren Hände seiner Wut ins Leere, denn es gab keine Seele, die schwach genug gewesen wäre, als dass sie hätte gepackt und
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