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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition)
Autoren: Jonas Wolf
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geknechtet werden können. Hier gibt es keine Tiere, denn die Tiere meiden diesen Ort. Aus gutem Grund. Es ist ein Ort des Todes. Teriasch fletschte die Zähne. Aber ich werde nicht als Feigling sterben. Er packte seine Keule fester und hoffte, dass der feige Geist wenigstens ein gutes Wort bei seinen Ahnen für ihn einlegen würde, wenn er ihm schon nicht im Kampf zur Seite stand.
    Teriasch stieß den hohen Kriegsschrei seiner Sippe aus und stürmte auf den Harten Menschen zu. Am Ufer eines der stinkenden Tümpel, die die Senke sprenkelten, trafen sie aufeinander.
    Zu Teriaschs Überraschung hatte der Fremde, der noch immer lachte, nicht das spitze, sondern das stumpfe Ende seiner Axtlanze auf ihn gerichtet, um ihn auf Abstand zu halten. Teriaschs erste, wild geführte Hiebe parierte der Harte Mensch in spielerischer Gelassenheit, ohne seine Taktik zu verändern.
    Warum will er mich nicht aufspießen? Dann wäre doch alles vorbei. Entgegen der Einschätzung des feigen Geistes war Teriasch nicht verrückt, und ihm wurde klar, dass es eine List brauchen würde, um diesen Gegner zu bezwingen.
    Er setzte zu einem Schlag gegen die Beine des Harten Menschen an, so tief geführt, dass seine Keule durch das verdorrte Gras am Ufer fuhr. Wieder lachte der Mann, weil der Angriff für ihn leicht genug abzuwehren war. Er konnte sogar die Keule mit seiner Lanze gegen den Boden pressen, doch dann blieb ihm rasch das Lachen im Hals stecken: Teriasch ließ die Keule sofort los und warf sich seinem Feind mit der Schulter voran entgegen. Einen Wimpernschlag lang schien es, als reiche sein Gewicht nicht aus, den gepanzerten Widersacher zu Fall zu bringen. Ohne den Ufermorast, auf dem der Mann bei seinem Wanken ausglitt, wäre Teriaschs Plan auch tatsächlich gescheitert. So jedoch landeten sie beide in der stinkenden Brühe, die kein Tier trinken wollte – der Fremde zuunterst, Teriasch mehr oder minder rittlings auf ihm. Das Wasser hätte einem stehenden Menschen bestenfalls bis zu den Knien gereicht. Für das, was Teriasch vorhatte, war es jedoch allemal tief genug: Er versuchte mit aller Kraft, den Oberkörper des Fremden unter Wasser zu halten. Aufgewirbelter Schlamm nahm ihm die Sicht auf seinen Gegner. Der Fremde bäumte sich unter ihm auf wie ein Pferd, das nicht zugeritten werden wollte, und immer wieder rutschten Teriaschs Hände ab. Dann riss der Fremde den Kopf hoch, gurgelte und spuckte. Nackte Angst sprach aus den Augen hinter den Schlitzen seiner Helmmaske.
    Als Teriasch einen stechenden Schmerz in seinem Nacken spürte, glaubte er zunächst, sein Gegner könnte eine Hand freigewunden und ihn mit einem Dolch attackiert haben. Doch wie konnte das sein, wenn der Harte Mensch doch mit beiden Händen auf Teriaschs Brust eindrosch?
    Taubheit ersetzte den Schmerz und kroch rasch über seinen Hals in die Schultern. Er keuchte noch erschrocken auf, dann verlor er das Gefühl in Lippen und Zunge. Seine Arme, mit denen er sich auf den Feind stützte, um ihn zu ertränken, knickten ein. Das braune Wasser raste ihm entgegen, und er schaffte es nicht einmal, die Augen zu schließen, ehe es ihn verschluckte.

2

     
Die Wilden aus der Steppe im Norden sind von beklagenswert stumpfem Geist. Sie sind nicht einmal dazu in der Lage, Ackerbau zu betreiben oder sich feste Unterkünfte zu schaffen. In Bezug auf sie von einem geordneten Staatswesen zu sprechen, hieße, einen Schwarm Ratten als zivilisierte Gesellschaft zu begreifen. Ihre mordlüsternen Weiber sind allesamt garstig anzuschauen, und so verwundert es nicht, dass ihre Männer es bisweilen vorziehen, sich mit ihren Pferden zu paaren.
Aus De Populi Minores: Über die uns unterlegenen Völker aus der Feder des Herrschaftlichen Kulturkundlers Hybrimon Virulingia
     
    Sein erster Tag in der Sklaverei verstrich, ohne dass er das Bewusstsein wiedererlangt hätte. Die Empfindung, die ihn schließlich aus der Umklammerung seiner Ohnmacht löste, war das Gefühl, gewiegt zu werden wie ein kleines Kind. Hin und her, hin und her.
    Darauf folgten Gerüche: nach Holz und Leder, nach faulen Eiern und nach etwas, das er zu Anfang für das angenehme und vertraute Aroma von Pferdeschweiß hielt. Nach und nach bemerkte er aber den Unterschied, denn dieser Duft war noch durchdringender, noch schärfer.
    Immer lauter drangen nun Geräusche zu ihm durch. Ein Knarren, ein Klirren, ein Stampfen und vereinzelte Worte in einer Sprache, die er lange nicht gehört hatte. »Tot« und »Wasser« waren zwei
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