Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heldenplatz (German Edition)

Heldenplatz (German Edition)

Titel: Heldenplatz (German Edition)
Autoren: Thomas Bernhard
Vom Netzwerk:
Geistesmensch ist immer unverstanden
    ganz allein geht ein Geistesmensch
    durch sein Leben
    wenn sie auch alle erfrieren an seiner Seite
    hat der Professor gesagt
    sie riecht am Anzug
    Ich hätte den Anzug nicht in die Putzerei geben sollen
    es ist meine Schuld
    ich werde den Herrn Professor Lukas bitten
    daß er mir den Anzug schenkt
    sie hebt den Anzug in die Höhe
    Dreißig Jahre hat der Professor
    den Anzug angehabt
    sie richtet sich Zwirn und Nadel her, um das Loch in der
    Weste zu flicken
    Wenn wir uns auch von den geliebten Menschen trennen müssen
    sie legt die Weste auf den Tisch
    ihre geliebten Kleidungsstücke bleiben uns ja
    Der Professor hat ja keine andere Wahl gehabt
    wahrscheinlich war auch das Wetter schuld
    er hat noch gesagt er wird die Frau Professor
    vom Friseur Mohr abholen
    die ist immer nur zum Friseur Mohr gegangen
    jeden Donnerstag vor der Josefstadt
    sie hängt den Anzug ohne Weste wieder auf und knöpft
    die Jacke zu, während sie sagt
    Der Sohn hat ihm viel mehr Schwierigkeiten gemacht
    als die Töchter
    die hat er sich schon gefügig gemacht
    der Professor Lukas hat das Leben seines Vaters zerstört
    In Wien war ihm schon lang alles widerwärtig
    ich gehe nurmehr noch widerwillig in die Stadt hat er gesagt
    zu Herta direkt
    Für dich hätte er in Oxford keine Verwendung gehabt
    Jetzt bist du schon so lang da
    und verstehst noch immer nichts
    sie richtet sich die Weste zum Flicken her
    sie schaut auf die Koffer
    letztenendes bleibt alles
    mir überlassen
    kein Mensch außer mir
    hat jemals etwas getan in diesem Haushalt
    zehn zwölf dreizehn Koffer
    und die Taschen
    wie gut daß wenigstens noch ein paar Tische und Sessel da sind
    und die Betten
    Wahrscheinlich übernachtet der Professor Robert heute bei uns
    Die Mutter hat nie begriffen wenn ich ihr gesagt habe
    daß ich überarbeitet bin
    schaut sich im Garderobenzimmer um
    Vierzig Jahre und nur selten ein gutes Wort
    Ich hab aber nie die Kraft gehabt
    wegzugehn
    den Professor hätte ich auch nie allein gelassen
    er hat mich immer gebraucht
    zu Herta direkt
    Wer einmal in die Großstadt gegangen ist
    kann nicht mehr auf das Land zurück
    Am Dienstag geh ich zur Mutter
    Der Professor hat Altersheime immer gehaßt
    ich vertrage den Geruch der Altersheime nicht
    hat er immer gesagt
    Sehen Sie zu Frau Zittel
    daß Sie nicht krank werden
    Sie können sich Kranksein nicht leisten
    HERTA mit dem Staubtuch in der Hand auf die Straße hinunterschauend
    Der Herr Professor wollte mir in Graz
    ein Paar Schuhe kaufen
    FRAU ZITTEL  
    Mir hat er auch immer Schuhe versprochen
    wenn wir nach Graz gefahren sind
    aber er hat mir in Graz nie Schuhe gekauft
    so oft bin ich mit ihm in Graz gewesen
    aber er hat mir nie Schuhe gekauft in Graz
    sie macht den Koffer zu, dann zu Herta aufblickend
    Daß ich der Mutter Tolstoj vorlesen muß
    hat er mir eingeredet
    Wenn ich zu spät komme droht mir die Mutter
    und beschimpft mich
    sie geht zu Herta und drückt ihr Haar leicht an
    Beide schauen aus dem Fenster
    Die Herrschaften werden gleich da sein

Zweite Szene
    Im Volksgarten
    Zu Mittag
    Trübes Wetter
    Anna und Olga gehen nach dem Begräbnis des Vaters nachhause; Professor Robert Schuster, ihr Onkel, bleibt im Hintergrund, ist noch nicht zu sehen; aber man sieht das Burgtheater im Nebel
    ANNA bleibt ein paar Schritte vor einer Bank stehen
    Das war das kürzeste Begräbnis
    das ich jemals erlebt habe
    Und das fürchterlichste
    OLGA ist auch stehengeblieben
    Es wird schwer sein
    das Haus in Oxford zu verkaufen
    ein halbes Jahr danach gesucht
    und endlich im letzten Moment gefunden
    und jetzt muß es wieder verkauft werden
    ANNA schaut zurück
    Der Vater hat sich ja vor Oxford gefürchtet
    alle die er gekannt hat
    sind weggestorben
    er hätte ja gar niemanden mehr gehabt in Oxford
    Wien ist ihm verhaßt gewesen
    aber in Oxford hätte er nichts mehr gefunden
    das ihm vertraut gewesen ist
    auch in Oxford hat sich alles verändert
    OLGA  
    Die Verbitterung hat man ihm angesehen
    er hat es nicht mehr ausgehalten
    es hätte aber auch nichts genützt
    wenn er schon vor ein paar Jahren
    nach Oxford zurückgegangen wäre
    ANNA  
    Da hätte er ja den Lehrstuhl
    nicht haben können
    Der Professor Strotzka hat alles auf ihn gesetzt
    OLGA  
    Die Idee hatte ja die Mutter
    ANNA  
    Die Mutter wollte niemehr nach Oxford
    sie hat sich aber damit abgefunden
    Die Mutter wollte in Wien umziehen
    nicht nach Oxford
    es ist ja auch gleich was sie wollte
    der Vater hat sich nie an sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher