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Heißer Winter in Texas

Heißer Winter in Texas

Titel: Heißer Winter in Texas
Autoren: Deborah Powell
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zugehört? Wenn
    diese Gewehre noch in Houston wären, hätte ich mit
    Sicherheit davon erfahren. Beim Nachdenken hatte ich
    mich von dem Säufer abgewendet. Als ich ihn jetzt
    ansah, starrte er mich mit aufgerissenen Augen an. Ich
    lag richtig. Sie waren per Schiff aus dem Land gebracht
    worden.
    »Also schön. Sie wissen überhaupt nichts. Jedenfalls
    danke, daß Sie mir Ihre Zeit geopfert haben«, sagte ich
    und grinste naiv.
    »Oh, klar. Keine Ursache.« Er sah erleichtert aus, und
    seine Kinnlade hing herunter, als ich rausging. Ich
    schlenderte gemächlich durch das Lagerhaus nach
    draußen. Dann rannte ich die Stufen hinunter, sperrte
    266
    Anice ins Auto und hetzte wieder hinauf. Durch die
    Scheibe sah ich Woods am Telefon stehen und wild mit
    den Armen rudern. Sorgsam die Schatten nutzend
    schlich ich mich an den Büroverschlag an und betete,
    daß er sich nicht umdrehte und aus dem Fenster sah. Ich
    hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen. Er war zu
    sehr mit Angst haben beschäftigt. Ich duckte mich,
    huschte hinüber und ging direkt an der Bretterwand in
    die Hocke, wo ich ihn panisch ins Telefon brüllen hören
    konnte.
    »Das hat sie gesagt … ist mir scheißegal, wer sie
    wirklich ist, wenn sie‹s weiß, wird sie‹s erzählen.« Er
    hielt inne, offenbar lauschte er Anweisungen. »Was
    machen wir denn jetzt? Ich wußte, daß wir das nicht
    vertuscht kriegen … Du hast versprochen, daß es keine
    Untersuchung gibt. Du hast gesagt, wir hätten das dicke
    Geld hinter uns! Nein! Ich habe ihr nichts vorgesungen
    … es wäre auch egal, sie weiß es sowieso.«
    Es war Zeit, daß ich mich verdrückte. Ich kroch durch
    die Schatten zurück und war ziemlich stolz auf meine
    Schleichleistung, bis ich gegen einen Stapel Kisten stieß
    und prompt die oberste, vermutlich in der Badewanne
    gebrauter Gin, herunterkam. Ich drehte mich nicht erst
    um, ob jemand die Verfolgung aufnahm. Ich schoß so
    schnell zu meinem Wagen, daß Babe Didrickson vor
    Neid erbsgrün geworden wäre.
    267
    Ich hieb den Starter rein und fegte mit quietschenden
    Reifen vom Hof, ohne die Scheinwerfer einzuschalten.
    Ich fand die Gasse wieder und kroch im dicken Nebel
    zwischen den menschenleeren Lagerhäusern dahin.
    Jetzt blieben nur gedrückte Daumen und ein Gebet. Ich
    glaubte hinter mir jemanden schreien zu hören, aber mir
    war nicht danach, zu warten und ein Schwätzchen zu
    halten. Anice stand angespannt in meinem Schoß und
    spähte in die Nacht hinaus, wie ein Matrose im
    Mastkorb nach Land Ausschau hält. Ein riesiger Mann
    tauchte aus den Schatten, als sei er einem sumpfigen
    Grab entstiegen, und griff nach dem Auto. Sein Mund
    war wie ein in sein Gesicht gebranntes Loch. Er stöhnte
    peinvoll. Ich kreischte auf wie eine schwule Trine, der
    jemand ihr Handtäschchen wegreißen will, und rammte
    den Wagen um ein Haar in das nächste Gebäude. Ich
    trat das Gaspedal durch, Nebel hin, Nebel her. Als wir
    über die Eisenbahnschienen kamen, hatte ich so viel
    Tempo drauf, daß das Auto klapperte wie ein
    Würfelbecher. Anice und ich flogen hoch, mein Kopf
    krachte hart genug gegen das Autodach, um einen
    Schädelbruch zu riskieren, und ich verlor fast die
    Kontrolle über den Wagen. Anice machte ein
    verächtliches Gesicht, als sie ihre Position auf meinem
    Schoß wieder einnahm.
    268
    Wir flogen über die Brücke des Buffalo Bayou, als
    hatten wir Flügel an den Reifen, dann schossen wir
    durch die nächste Lagerhausmeile, so finster und
    beängstigend wie ein leeres Portemonnaie im
    Schlußverkauf bei Saks in der Fifth Avenue. Ich hatte
    die Scheinwerfer angeschaltet, als ich sicher war, daß
    mir niemand folgte, obwohl sie nicht viel nützten, weil
    der Nebel das Licht reflektierte und mich blendete. Ich
    raste geradeaus, bis ich nach Westen Richtung
    Stadtzentrum einbiegen konnte. Die bunt glitzernden
    Lichter der Innenstadt erschienen mir tröstlich wie ein
    Leuchtturm auf hoher See.
    Vor einem Billardsalon blieb ich stehen, lehnte mich
    im Sitz zurück und atmete tief durch. Ein Mann im
    Trenchcoat lehnte an der Hauswand und kaute auf
    einem Zahnstocher. Er grinste und nickte herüber,
    während ich im Auto saß und den vorbeihastenden
    Leuten zusah, unterwegs in Clubs zum Tanzen oder in
    Biergärten, um zu trinken, bis sie glaubten, daß sie sich
    mochten. Und dann weiterzutrinken, in der Hoffnung,
    daß sie irgendwann noch jemand mögen würde.
    Ich sah eine Weile zu, dann startete ich den Wagen
    wieder und fuhr
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