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Heiße Schatten

Heiße Schatten

Titel: Heiße Schatten
Autoren: Jennifer Ambers
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gewisse kulinarische Höhepunkte, die ich gerne mit Ihnen teilen möchte. Vertrauen Sie mir?«
    »Wenn Sie Ihr Essen so auswählen wie Ihre Schiffseinrichtungen, bin ich sehr gespannt«, gebe ich zurück.
    Er lacht auf, das gleiche überraschte Lachen, das er schon an dem Tag hat hören lassen, als wir uns kennenlernten. »Nennen Sie mich Konstantin, Valerie!«, geht er wieder in Führung.
    Ein Strahlen zieht über sein Gesicht, die blitzenden blaugrauen Augen werden schmal, und die Fältchen in seinen Augenwinkeln zeichnen messerscharfe Linien. Tolle Augen! Ich kann mich kaum losreißen von der Mischung aus blitzendem Scharfblick und einem Anflug von Dunkelheit, den ich ganz kurz wie eine Wolke vorüberziehen sehe. Amüsiert verziehen sich die Mundwinkel seiner sinnlichen, festen Lippen nach oben, während das Funkeln in seinem Blick abnimmt. Ich verspüre den Wunsch, diese Augen immer wieder zum Lachen zu bringen.
    Die Vorspeise wird serviert: Jakobsmuscheln in irischer Butter, Limetten und frischem Salbei. Frei von Raffinesse, schlicht dekoriert, aber von hervorragender Qualität. Typisch für Jean-Paul, den Koch. Es mangelt ihm an Ideen. Genau genommen kocht er richtig langweilig, aber dafür tut er das einzig Richtige: Er kauft die besten Materialien, die für Geld zu bekommen sind. Hochwertige Nahrungsmittel handwerklich perfekt zu verarbeiten ist immer eine Nummer-Sicher-Alternative. Dass er damals gewonnen hat, lag einfach daran, dass er eines meiner Rezepte kopiert und die wesentlich bessere Show geliefert hat.
    Mehr Sein als Schein – das ist auch mein Problem.
    Mit einem kleinen Seufzen esse ich die zweite Jakobsmuschel. Na ja, schmeckt gut. Als ich aufblicke, sehe ich, dass Konstantin – er ist ja jetzt für mich nicht mehr Herr Steinburg, wie ich erfreut feststelle – mich die ganze Zeit beobachtet. Er steckt sich ebenfalls eine Muschel in den Mund. Erst jetzt wird mir bewusst, dass sie ziemlich genau Größe und Form einer Zunge hat. Gedanklich wandert meine Zungenspitze mit in seinen Mund, salzig und nass verbinden sich meine Fantasien mit der Muschel.
    »Na, wie ist es?«, fragt er, während er mit dem Daumen seine Unterlippe entlang fährt. Wie soll ich da noch an das Essen denken?
    »Hervorragend«, gebe ich zu. »Das war bei diesem Koch aber auch nicht anders zu erwarten.«
    Das ist wohl der Übergang zum geschäftlichen Teil. Ich fühle mich wie durchsichtig. Wie fühlen sich seine Lippen an? Ob er gut küssen kann?
    »Was würden Sie denn anders machen? Erzählen Sie von Ihren Vorstellungen!« Er lehnt sich in dem schweren Stuhl mit den Wildlederbezügen zurück, überschlägt ein Bein. Unter dem feinen Stoff der Hose zeichneten sich muskulöse Schenkel ab. Ich zwinge mich, den Blick wieder zu heben. »Bei den Muscheln?«
    »Nun, eigentlich war die Frage auf meine Jacht bezogen.«
    Selbstverständlich. Also wirklich ein Geschäftsessen. »Ihre Einrichtung ist, nun ja, durchaus zweckmäßig.« Ich merke, dass ich um den heißen Brei herumrede. »Ihre Jacht hat viele bauliche Raffinessen, jedoch auch jede Menge nicht nutzbaren Raum. Der ist gut verborgen, aber entweder zu niedrig oder zu kurz oder zu lang, um als Stauraum für die gängigen Lebensmittelcontainer dienen zu können. So ist es schwer für mich zu planen, weil ich tatsächlich viel weniger Platz zur Verfügung habe. Und was die Kreativität angeht …«, ich zögere, überlege, wie ich fragen kann, was ich eigentlich wissen muss.
    Was wollen Sie? Das wäre meine Frage. Was von der Küche zu den Gästen kommt, sollte die Persönlichkeit des Gastgebers widerspiegeln. Doch auf dieser Jacht gibt es lauter Widersprüche. Ich kann nicht klar erkennen, was Sie repräsentieren wollen, wie Sie sich nach außen darstellen möchten. Ja, das würde ich ihm gern sagen, doch stattdessen frage ich: »Was sind Sie für ein Mensch, Konstantin?«
    Er lehnt sich zurück. Zieht er sich zurück? »Was sehen Sie denn? Sagen Sie es mir!« Die Herausforderung in seiner Stimme hat plötzlich einen fast gefährlichen Beiklang. Seine Blicke werden um zehn Grad kühler, und obwohl sein Mund weiter lächelt, geht etwas Lauerndes von ihm aus.
    Bin ich zu weit gegangen? In dem Champagnerglas, an dem ich mich festhalte, bis die Knöchel meiner Finger weiß werden, steigen gleichmäßig die kleinen Luftperlen auf. Hoffentlich zerbreche ich den Stiel nicht. Soll ich zurückrudern, loben, dass das Boot hervorragend zu meiner Art zu kochen passt? Aber das tut es
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