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Heiße Schatten

Heiße Schatten

Titel: Heiße Schatten
Autoren: Jennifer Ambers
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sich augenblicklich voll mit stinkendem Hafenwasser. Dem Gewicht kann ich nichts entgegensetzen. Ich rudere mit den Armen, schlage um mich, aber damit beschleunige ich nur meinen Untergang. Ich weiß nicht, wo oben und wo unten ist. Die Luft geht mir aus. Das Gewicht des Wassers drückt die Luft in dicken Blasen aus mir heraus, aus Nase und Mund.
    Ich habe Angst. Schreckliche Angst. Das Wasser ist stärker als ich. Ich kann nicht mehr kämpfen. Konstantin? Wo bist du? Die Gedanken steigen auf wie die kleinen Blasen, ich weiß nicht, wohin. Ich weiß nicht, ob ich die Augen geöffnet oder geschlossen habe. Dunkler Glanz ist um mich herum. Ich strample noch, aber es wird immer schwieriger. Ich kann nicht mehr … Ich gebe auf.
    Das Wasser fühlt sich auf einmal an wie ein Freund, wie ein Liebhaber, der mich sanft umhüllt und mit unnachgiebigen Armen hält, überall gleichzeitig. Mir kann nichts mehr passieren. Ich werde ganz ruhig, wehre mich nicht mehr. Schwere Kühle breitet sich in mir aus. Atmen ist nicht mehr nötig. Ich sinke, falle, lasse mich gehen. Bilder ziehen vor meinem inneren Auge vorbei: meine Eltern, der Schulball, Konstantin, wie er mich küsst. Alles ist gut. Er ist gut, er ist kein Verbrecher. So ist es also, wenn man stirbt …
    In dem Moment, in dem mein Bewusstsein mich verlassen will, kommt eine weitere Umarmung dazu. Von hinten, wie ein Griff, etwas Echtes. Ein fester, drückender, schmerzhafter Griff zieht mich fort. Ich will nicht. Ich will glücklich versinken, aber die starken Kräfte lassen mich nicht los. Ich werde durch die Oberfläche wieder an die Luft gezogen.
    Die überraschende, harte Kälte macht mich wieder wach. Ich versuche zu atmen, ich kann nicht, ich kriege Platzangst. Ein starker Druck auf meiner Lunge. Aus meinem Mund schießt ein Schwall Wasser, dann kann ich husten, ich japse, huste wieder Wasser, schlage um mich, aber ich atme. Die Arme, die mich über Wasser halten, sind seine. Konstantin!
    Mit aller Kraft drückt er auf meine Lunge. Ich würge, versuche zu husten. Dann kann ich wieder atmen. »Du hast mich gerettet …«, keuche ich weinend und lachend zugleich. Ein weiterer Schwall Wasser verlässt mich. Er hält mich fest. Ich kann nicht mehr untergehen. Er hat mich im Schleppgriff, zieht mich an den glitschigen, harten Rand einer Boje und dämpft mein fürchterliches Husten mit dem Arm, sodass es nicht lauter sein kann als die Wellen, die in Sichtweite hinter uns an die Kante des Hafens schlagen.
    »Halte durch, wir schaffen das.«
    Ich greife nach dem Rand der Boje.
    »Bleib auf dieser Seite!« Jenseits der Boje erkennen wir Suchscheinwerfer, klein, wie starke Taschenlampen.
    »Das war die Konkurrenz«, ruft er mir gegen die Wellen und den Wind zu. »Da hast du genau die richtigen aufgescheucht.«
    Allmählich kehrt meine Erinnerung wieder. Das Rettungsboot, die Medikamente.
    »Die anderen haben jetzt dein Rettungsboot mit den Medikamenten«, stoße ich hervor. »Ich hab dich in entsetzliche Schwierigkeiten gebracht.«
    »Die werden die Medikamente behalten oder verkaufen. Egal, es waren nicht viele, und ihre Herkunft ist kaum zurückzuverfolgen.« Besorgt blickt er Richtung Land. »Wird Zeit, dass Giulio uns findet, was? Die Schmuggler hören auf zu suchen. Die Lichtkegel werden weniger.«
    »Hast du deine Übergabe noch geschafft, oder hab ich dir alles vermasselt?«, will ich besorgt wissen.
    »Die Übergabe hat vorher stattgefunden, eine halbe Meile weiter östlich. Ich war schon auf dem Rückweg. Im Schatten der Hafenwände ist man sicherer, als wenn man den Hafen im rechten Winkel verlässt. Ich hätte mich jetzt noch ein Paar Meilen schräg an der Küste entlanggehangelt und wäre dann im großen Bogen zurück zum Schiff gefahren. Aber dann standest du auf einmal auf einem meiner Rettungsboote. Sehr überraschend, muss ich sagen. Ich bin also zurück. Mir blieb nichts anderes übrig als mein eigenes Boot leise zu versenken, als ich dich zu Boden sinken sah und mir klar wurde, dass es ganz schlecht aussieht. Auf dem Boot steht sozusagen mein Name drauf, das wäre nicht gut gewesen.«
    Als wäre es eine völlig normale Maßnahme, ein Zodiac zu versenken.
    Und dann, mit einem leichtem Vorwurf in der Stimme, fragt er: »Was um alles in der Welt hast du da draußen gemacht?«
    Ich kann jetzt nicht mehr verhindern zu weinen, obwohl ich das wirklich nicht will. »Die Razzia. Ich hab die doppelten Wände in der Küche gefunden und im Polizeifunk von der Razzia im
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