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Heiße Schatten

Heiße Schatten

Titel: Heiße Schatten
Autoren: Jennifer Ambers
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verfluche meine Fahrlässigkeit. Hier ist ein T-Griff. Hoffentlich sind die Tanks voll. Ich ziehe, aber es klingt wie ein lange nicht benutzter Benzinrasenmäher. Bitte, spring an! Mein Herz schlägt wie wild. Ich muss zu ihm. Wieder ziehe ich, wieder und wieder. Endlich erwacht der Motor zum Leben. Das Tuckern des Diesels wird zu einem kurzen Aufjaulen, als ich den Geschwindigkeitshebel nach vorne drücke. Der Bug hebt sich kurz aus dem Wasser, führt eine bedrohliche halbe Wendung aus, die mich fast über Bord wirft, dann klatscht er auf das Wasser und schießt vorwärts.
    Hoffentlich bin ich nicht zu spät. Ich muss ihn nicht nur warnen, ich muss ihn vorher auch noch finden. Mit höchster Geschwindigkeit fahre ich auf die Hafenlichter von Algier zu. Die Technik bekomme ich nach wenigen Minuten gut in den Griff. Wenn es erst einmal läuft, lässt sich ein Motorboot genauso einfach fahren wie ein Automatikwagen.
    Jetzt wird es Zeit, nachzudenken. Was steht mir zur Verfügung, das mir helfen könnte? Das halbe Boot ist voller Taue und druckluftgefüllter Fender, die das Boot bei Anlegemanövern vor dem Anstoßen schützen. Hilft nicht. Und sonst? Ich gucke in die verdeckten Bereiche unter den Bodenplatten. Jedes Boot besitzt ein paar Hohlräume für Wasser, Anker oder einen Erste-Hilfe-Kasten.
    Unter dem mittleren Boden finde ich schmale lange Behälter. Die würden genau in meine Küche passen, schießt es mir durch den Kopf. Ich klemme das Steuerruder fest, um Kurs zu halten, und öffne den Behälter. Was werde ich finden? Drogen?
    In dem weißen Behälter sind kleine Päckchen. Wie die Verpackungen von Mullbinden, aber in diesen sind keine Mullbinden. Es sind getrocknete medizinische Pulver! Medikamente!
    Ich versuche, im matten Licht des späten Abendhimmels zu erkennen, was auf den Packungen steht. Die aufgedruckten Symbole zeigen an, dass die Arzneimittel aus Militärbeständen kommen.
    Überall ist in mikroskopisch kleinen Buchstaben das Verfallsdatum zu lesen und dass der Beutel nicht zum Weiterverkauf bestimmt ist. Die Medikamente sind allesamt vor Kurzem abgelaufen. Aus meiner Erfahrung mit getrockneten Lebensmitteln weiß ich, dass diese Verfallsdaten noch eine Menge Spielraum lassen und eher in amtlichen Normen begründet sind. Die Erkenntnis trifft mich wie ein Blitz! Konstantin schmuggelt weder Drogen noch Waffen!
    Er schmuggelt Impfstoffe aus militärischen Beständen, die abgelaufen und mit Sicherheit noch verwendbar, aber trotzdem ausgemustert worden sind. Hier ist kein Gift, keine illegalen Drogen, nein, hiermit kann Leben gerettet werden. Ein paar Medikamente kenne ich, gegen Masern, Mumps und Pocken und ein paar andere Krankheiten, die in Europa als ausgerottet gelten. Andere sind gegen Infekte wie Malaria oder Gelbfieber, von denen ich zwar schon gehört habe, die ich aber nicht genauer kenne.
    Das muss ich auch nicht mehr. Ich bin so misstrauisch gewesen! Ich habe ihn zu Unrecht verdächtigt! Was habe ich nur getan? Die ganze Zeit über ist alles gut gewesen, und ich habe alles kaputt gefragt. Jetzt kann ich nur noch eines tun: ihn warnen und herausholen, bevor er in die Razzia gerät und erwischt wird.
    Vor mir werden die Konturen der Kräne und die Masten großer Frachter immer deutlicher. Daneben kann ich noch die weißen Fassaden der Häuser an der Front de Mer erkennen, aber für ihren französch anmutenden Charme habe ich gerade keinen Blick. Ich bin fast da. Konstantin, wie finde ich dich?

    Ich steuere auf die Hafenanlage zu und versuche mir trotz der beginnenden Dunkelheit ein Bild der Möglichkeiten zu machen. Wo würde ich eine Übergabe stattfinden lassen? Im schwarzen Schatten der ehemaligen Rundbögen, den keine Lampe und kein Sternenlicht erreicht. Also am besten genau unter einem der breiten, rostigen, vorgebauten Piere mit den dicken Pfeilern aus Stahl und Beton. Hier wäre auch Konstantins dunkelgraues Zodiac-Schlauchboot kaum zu erkennen.
    Ich halte auf einen der dunkelsten Piere zu. Die dicken Betonpfosten sind mit Seepocken und Algen überwachsen. Anscheinen steht das Wasser gerade niedrig. Ist das gut oder schlecht? Ich habe keine Zeit, darüber nachzudenken. Ich suche das Zodiac. Mir ist so, als wäre unter dem zweiten Pier von rechts etwas zu sehen, das passen könnte. Ich drossle den Motor und halte langsam darauf zu.
    »Eh, une femme!«, rufen plötzlich Stimmen auf Französisch in meine Richtung. Oje. Aus dem Dunkel kommen kleine schnelle Motorboote überraschend auf
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