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Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Titel: Heinrich Mueller 05 - Mordswein
Autoren: Paul Lascaux
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dunkelblaue, klassische Jeans, die von kräftigen Oberschenkeln und der einladenden Hüfte ausgefüllt wurden, ein schmaler Oberkörper mit kleinen Apfelbrüsten, unter einem schwarzen Top mit Spaghettiträgern versteckt, die dunkelbraunen, schulterlangen Haare hinter dem Kopf zusammengebunden. Ein offenes Gesicht mit leuchtend grünen Augen und einem vollen, aber schmalen Mund, der immer dann, wenn sie nachdachte, leicht geöffnet war, wie ein erstauntes kleines O. Die weichen Falten im Gesicht wirkten frisch, diejenige am Hals verwies auf ein späteres Doppelkinn.
    Annina war Tänzerin in einem Nachtlokal mit dem schönen Namen ›Schlackerndes Bein‹, eine Art heruntergekommener Club, der seine vorwiegend männlichen Trinker mit zweitklassigen Attraktionen beglückte, wie einer Hundedressur, Schauspieler-Imitatoren, vergessenen Komikern und ein paar halb nackten Damen, die im ›Moulin Rouge‹ nicht mehr gebraucht wurden. Was Annina nach Ligerz verschlagen hatte, blieb unklar.
    Nach wenigen Minuten gesellte sich ein älterer Mann zu ihr, und Nicole überhörte folgende Konversation:
    »Wenger ist mein Name, Arno Wenger.«
    Die Frau streckte ihm gelangweilt die Hand hin und sagte: »Annina Kernen.«
    »Hoch erfreut, junge Frau! Darf ich mich setzen?«
    Ohne die Antwort abzuwarten, nahm er einen Stuhl. Annina schwieg.
    »Diese Sicht! Diese Weite! Da müssen einem doch visionäre Gedanken kommen.«
    »Und welche Visionen plagen Sie gerade jetzt?«, wollte Annina wissen. »Ich hoffe, sie haben nichts mit mir zu tun.«
    »Wo denken Sie hin. Ich bin angestellt, um die Rebgüterzusammenlegung zu einem gütlichen Abschluss zu bringen.«
    »Wie langweilig«, schnödete Annina.
    »So langweilig oder spannend wie das Leben, junge Frau.«
    »Also langweilig.«
    »Wieso das denn? Sie kennen doch sicher jeden im Dorf.«
    »Genau. Das ist es ja. Langweilig.«
    »Ganz im Gegenteil«, erklärte Wenger. »Der geschäftliche Erfolg hängt von Beziehungen ab. Ich sage nur: Kommunikation!«
    »Reden alle immer dasselbe hier: Wein und Wasser!«
    Der Mann sagte: »Aber das ist doch kein Grund zur Verzweiflung. Sie haben hier sozusagen die Bausteine des Lebens vor der Tür.«
    »Es fehlt bloß der Baumeister.«
    »Das Leben ist ein Kreislauf«, meinte der Mann ohne Überzeugung.
    »Ein Kreislauf der Verzweiflung, wenn einer so viel vor sich hin plappert.«
    Arno Wenger wechselte die Strategie: »Sie kennen das Prinzip der sechs Schritte?«
    »Ist das eine neue Gangart?«, wollte Annina wissen.
    »Annina … Ich darf doch Annina zu Ihnen sagen?«
    »Wenn Sie wollen …«
    »Annina, das Prinzip besagt, dass Sie Ihre Traumleute treffen können, weil zwischen Ihnen und diesen Leuten nur sechs Grad Fremdheit liegen.«
    »Fremdheit?«
    Wenger führte aus: »Verstehen Sie, die Theorie lautet, dass jemand, den Sie kennen, jemanden kennt, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der denjenigen kennt, den Sie kennenlernen möchten.«
    »Aha. Alles klar.«
    »Wen wollen Sie denn kennenlernen? Einen Bundesrat?«
    »Meine Mutter ist Gemeindepräsidentin. Sie kennt einen Bundesrat. Er ist in derselben Partei und hat schon hier an diesem Tisch gesessen. Also kenne ich ihn auch. Wollen Sie ihn kennenlernen?«
    Wenger war der Verzweiflung nahe: »Also gut. Ein anderes Beispiel. Annina. Ich darf dich doch duzen?«
    »Nein.«
    »Also, Annina, ich bin Arno. Nehmen wir an, du hättest mich kennenlernen wollen.«
    Sie sah ihn genauer an. Man wollte nicht einmal als Leiche mit ihm zusammen gesehen werden. »Wieso sollte ich Sie kennenlernen wollen?«
    »Nehmen wir es nur einmal an, um die Theorie zu überprüfen. Du kennst also den Pfarrer des Dorfes …«
    Annina: »Also, das hab ich begriffen. Und der Pfarrer kennt die Frau des Bischofs.«
    »Genau! … Aber nein! Nicht die Frau des Bischofs!«
    Nicole schüttelte lächelnd ihre dunkelbraunen Zapfenlocken und begab sich in den Gastraum hinein. In einer Zeitung hatte sie gelesen, dass der moderne Mensch immer noch ein paar Prozent der Gene des Neandertalers mit sich herumschleppte. War eine Auseinandersetzung aufgrund der Rebgüterzusammenlegung Ausgangslage für die Morde?
    »Mädchen, noch eine Flasche Roten«, rief ihr einer zu.
    Sie schaltete das Auge ein, das automatisch die Flecken aussortierte, damit es das Hässliche auf dieser Welt nicht sah. Was konnte man schon zu so einem Typen sagen? Wie zählen Sie auf zwei?
    »Stößt euch der Wein auch so sauer auf?«, fragte einer am Tisch.
    »Ja. Bald
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