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Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Titel: Heinrich Mueller 05 - Mordswein
Autoren: Paul Lascaux
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er es in Erinnerung hatte.
    Nicht nachdenken. Rennen!
    Er konnte keine Schritte mehr hören. Ob er den Verfolger abgehängt hatte? Aber der Boden war weich, dämpfte die Geräusche, außerdem glockten die Kühe im Takt.
    Er rannte auf den Baum zu, den Blick auf die schweren, unteren Äste gerichtet.
    Abrupt zog es ihm die Beine unter dem Körper weg. Er fühlte seinen Sturz, den Aufschlag auf etwas Hartes, den stechenden Schmerz, das Fließen des eigenen Blutes.
    Und er überlegte noch, wie wohl der neue Jahrgang werden würde, wenn es weiterhin so trocken blieb.
    Du spinnst, sagte eine innere Stimme. Hast du keine anderen Probleme?
     

Donnerstag, 15.7.2010
    Heinrich Müller hatte in seiner Jugend keinen Lebensentwurf, keine berufliche Karriere in Aussicht; er war nicht durch verwandtschaftliche Beziehungen begünstigt, kein Bern-Burger, kein Vitamin-B-Aspirant, er hatte keine politischen Ambitionen, keine militärischen oder religiösen Interessen, keine Familienplanung. Nichts verband ihn mit angestrengten Zielen, die es zu erreichen galt, die von den einen erreicht worden sind und an denen diejenigen, die sie nicht erreicht haben, zerbrochen sind, abgeschrammt in Depressionen, Selbstmord oder gesellschaftlichen Nihilismus.
    Sollte, ja müsste er jetzt glücklich sein, durchs Leben getrieben von Zufällen, denen er manchmal einen Schubs gab, manchmal auch nicht, gesegnet mit mittelmäßiger Zufriedenheit in allen Belangen? Er wusste es nicht, und da das Leben unweigerlich auf den Tod zusteuerte, würde er es wohl auch nie erfahren. Dennoch blieb er frei von zermürbenden Selbstzweifeln und reumütigen späten Erkenntnissen. Er kannte wohl beides, aber gleichzeitig wusste er nicht, wie er sein Leben hätte anders gestalten können. Also: Es ging Heinrich Müller gut, er war zufrieden, danke der Nachfrage.
     
    Außerdem gab es heute Grund zum Frohsinn. Denn im ›Bauch & Kopf‹ war eine Weinprobe angekündigt, eine Journalistin würde sich zu den Degustierfreudigen gesellen, zwei Bielersee-Winzer waren mit ihren Produkten eingeladen, und selbstverständlich hatte die gesamte Entourage der ›Detektei Müller & Himmel‹ schon lange auf diesen in jeder Beziehung heißen Tag hingefiebert. Nur Baron Biber hing schlaff auf einem Sessel unter der Pergola, gut sichtbar durch die weit geöffneten Fenster. Nicht einmal die ›erlesenen Streifen mit Gemüse‹ konnten ihn zum Fressnapf locken, kein ›Kalb auf provenzalische Art‹, kein ›Wild mit Gemüse im Duett‹, noch nicht einmal ›Forelle und Spinat‹, und auf ›Rind und Karotten‹ stand er sowieso nicht. Ginger, der Streuner, der früher alles weggefressen hatte, was liegen geblieben war, war wohl im letzten Dezember zum ewigen Streuner geworden, denn eines Tages war er aufgebrochen, gut genährt zwar, aber viel zu früh für die Saison, und nie mehr wiedergekehrt. Der Abschied verlief in Raten, denn zuerst hoffte man noch auf eine übliche Auszeit oder darauf, dass doch schon ein Weibchen rollig war, aber als die Wochen ins Land gingen, musste man zur Kenntnis nehmen, dass selbst ein fett gefressener Ginger diesen langen und kalten Winter draußen nicht überleben würde. Baron Biber vermisste den ungehobelten Kerl, ließ sich aber nichts mehr anmerken, und schon längst hatte eine junge Nachbarsdame namens Mathilda seine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, auch wenn er mit seinen nun 13 Jahren nicht mehr die eigentlich notwendige Grundschnelligkeit aufwies, um sie zu beeindrucken.
     
    Die Vorbereitungen zogen sich noch ein wenig hin. Die Gäste würden erst in zwei Stunden kommen.
    Melinda Käsbleich hatte sich nur langsam von der Party erholt, mit der der letzte Erfolg der ›Detektei Müller & Himmel‹ gefeiert worden war. {1} Sie betrachtete dies als einen derart gelungenen Einstieg ins gesellschaftliche Leben, dass sie ihre beiden besten Freundinnen Phoebe und Gwendolin unbedingt an solchen Ereignissen teilhaben lassen wollte. Wer wusste denn schon, wann sich wieder etwas Aufregendes ereignen würde. So saßen nun drei entzückende Mädchen im ›Bauch & Kopf‹, himmelten Leonie, Nicole und Heinrich an und vergaßen in gepflegter Langeweile ihre verstreichende Lebenszeit.
    Es gelang ihnen, in ihrer ganzen ätherischen Schlaffheit noch entspannter zu wirken als Baron Biber, der sich mit einem Kissen auf den einzigen Stuhl gefläzt hatte. Gut, man muss sagen, dass die drei schon einen beschwerlichen Einkaufsbummel hinter sich hatten, der offenbar nicht
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