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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
Autoren: Veit Heinichen
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was für die Guardia Costiera oder die Polizia Marittima. Reden Sie schon, Greco!«
    »Na ja, der Assistente Capo Sgubin hat gesagt, ich soll Sie rufen. Wir haben den Hinweis von der Guardia Costiera. Auf der Höhe der Trattoria Costiera, unterhalb Santa Croce, unten am Meer.«
    »Ach so, am Meer! Ich dachte, auf dem Karst«, zischte Laurenti ärgerlich und wußte, daß er von Greco kaum einen klaren Satz hören würde, aber wenn Sgubin den Auftrag gegeben hatte, ihn zu rufen, dann war etwas dran. Sgubin kannte er schon lange, er war ein guter Polizist, der sorgfältig arbeitete, manchmal eher zu sorgfältig. Man konnte sich auf ihn verlassen.
    Proteo war bereits aufgestanden und auf dem Weg ins Bad. Er hatte vor lauter Unbehagen ein leises Magengrimmen. Um diese Zeit gleich zwei lästige Dinge, die er unausgeschlafen hinnehmen mußte.
    »Tut mir leid, Laura, irgendein leeres Boot«, sagte er so beherrscht wie möglich. »Machst du mir einen Kaffee?«
    Um halb fünf Uhr morgens hatte sich die Sonne schon ein gutes Stück über den Karst, der sich wie ein Gürtel um die Küste und die Stadt legte, gehoben und tauchte die Dächer in ein goldenes Licht, das hart mit dem Himmel kontrastierte. Das Meer leuchtete stahlblau und lag wie ein fein gerippter Stoff auf dem Golf. Die Straßen waren fast leer, nur ein paar vereinzelte Autos waren unterwegs.
    Proteo Laurenti lenkte seinen Fiat Tempra aus der Via Diaz ein kurzes Stück gegen die Einbahnrichtung der Via Mercato Vecchio am mächtigen Palazzo des »Lloyd Triestino« vorbei und stieß nach hundert Metern auf die vierspurige Riva del Mandracchio am alten Hafen. Dies war erheblich kürzer als die ordnungsgemäße Umfahrung der Piazza dell’Unità d’Italia und des Borgo Teresiano. Mit Gegenverkehr war um diese Zeit kaum zu rechnen, deshalb erlaubte sich Proteo Laurenti den kleinen Verstoß. Vor dem Bahnhof führte die Straße um die gräßliche Sissi-Statue auf der Piazza della Liberta und danach stadtauswärts auf die Viale Miramare. Er trat das Gaspedal durch und schaltete bereits neben dem Bahngelände in den fünften Gang. Gleich nach den leer stehenden Gebäuden des Porto Vecchio kam er nach Barcola, wo die letzten Gäste des »Machiavelli« erst vor kurzem nach Hause gegangen waren. Eine Stunde früher, wenn die Diskothek ihre Türen schloß, war hier Stau. Jetzt hatte er das Meer direkt zur Linken. Laurenti kurbelte die Seitenscheibe herunter und ließ sich den Fahrtwind ins Gesicht blasen. Wenn die Sache ihn nicht zu lange aufhielte, konnte er vielleicht auf dem Rückweg bei Miramare kurz ins Meer springen, bevor er ins Büro fuhr. Er warf einen Blick hinauf nach Contovello, einem der beiden Fischerdörfer auf dem Karst, dessen weiße Giebel von der Morgensonne in Gold getaucht waren. Dann stieg die Straße zur Steilküste an, er durchfuhr die beiden Tunnel unter dem Park von Schloß Miramare und wurde kurz darauf wieder mit jenem Blick aufs Meer belohnt, der ihn grundsätzlich mit dem Leben versöhnte.
    Laurenti mußte nicht lange suchen. Die Strada Costiera war beim Kilometer 142 mit Streifenwagen zugeparkt, den Hubschrauber der Guardia Costiera sah und hörte er schon von weitem in geringer Höhe seine Bahnen über den Golf ziehen. Laurenti parkte den Fiat wenig elegant am Straßenrand. Er hatte erst vor kurzem aus dem Munde des Carabinieri Colonello vernommen, daß der Dienstrang eines hohen Beamten daran zu messen sei, wie sorglos dieser seinen Wagen abstelle. Auch wegen seiner sonstigen Überheblichkeit konnte Laurenti diesen Mann mit seinen auf Hochglanz polierten Stiefeln nicht leiden. Leider hatte er viel zu oft mit ihm zu tun.
    Laurenti fragte den Beamten, der an der Straße über den kleinen Fuhrpark wachte und sogleich, als er ihn erkannte, die Zigarette fallen ließ, sie aber nicht austrat, wohin er gehen solle.
    »Da, die Treppe runter, es ist steil und weit«, antwortete Greco. »Der Rückweg geht auf die Knochen.«
    »Danke«, sagte Laurenti und stieg die ersten Stufen hinunter. Er drehte sich nochmals um und sah, was er sich schon gedacht hatte. »Sie sollten weniger rauchen, Greco«, sagte er zu dem Beamten, der seine Zigarette wieder aufgehoben hatte und sie sogleich ein zweites Mal fallen ließ.
    »Jawohl«, Grecos Gesicht war rot geworden wie das eines ertappten Kindes.
    Langsam stieg Laurenti den steilen Weg mit den vielen Stufen hinunter, unter gewaltigen Bäumen, deren Stämme bis in die Wipfel von Efeu oder blau blühenden Glyzinien
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