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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
Autoren: Veit Heinichen
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sagte Drakic und wies mit der Hand auf das Glas, das vor seinem Gegenüber auf dem Tisch stand. Wolferer winkte der Bedienung und gab die Bestellung auf.
    »Wir sollten über die Kontingente sprechen«, begann Drakic ohne Vorrede. »Bis jetzt sind es fünfundsechzig Prozent, die Sie uns zugesagt haben. Wir wollen auch den Rest.«
    Wolferer runzelte die Stirn. »Das geht kaum«, sagte er, »die Richtlinien lassen nicht mehr als zwei Drittel zu.« Er drehte den Stil des Bierglases zwischen Daumen und Mittelfinger und wich Drakics Blick aus.
    »Vergessen Sie die Richtlinien«, Drakic machte eine abfällige Handbewegung. »Durch das Erdbeben fällt ein Großteil des türkischen Exports erst einmal aus, die Kais sind fast leer, und alles, was jetzt kommt, wird sofort weitergeleitet. Die Öffentlichkeit erwartet von Ihnen schnelles Handeln. Das wird man mehr würdigen als die pedantische Einhaltung von Richtlinien. Sogar die Presse wird Sie loben.«
    »Dazu muß ich den Kreis erweitern. Das wissen Sie!« Eigentlich war Wolferer schon überzeugt. Sie feilschten bereits um den Preis.
    »Über die fünf Prozent hinaus kann ich nichts tun!« Drakic schaute ihm mit eisigem Blick in die Augen.
    »Acht!« sagte Wolferer und hielt dem Blick stand.
    »Ausgeschlossen! Die Margen sind knapp. Sie haben die Grundarbeit schon geleistet, was jetzt noch kommt, ist doch ausschließlich Ihr Gewinn! Es bleibt bei fünf Prozent. Das ist schon sehr viel. Sie wissen das.«
    »Acht«, wiederholte Wolferer.
    »Ich würde Ihnen eher raten, das publizistisch zu nutzen. Und lassen Sie sich in die Kommission wählen. Diesmal schaffen Sie es. Dann wird es noch viel mehr.« Drakics Gesicht zeigte keine Regung. Er schaute auf seine Armbanduhr, um Eile zu signalisieren. »Kommen Sie nächste Woche nach Triest. Wir geben eine kleine Party mit ausgesuchten Gästen und angenehmer Begleitung. Sie finden im Koffer ein Ticket via München. Bis dahin können Sie es sich noch mal überlegen. Aber nutzen Sie die Gelegenheit!« Es klang wie ein Befehl.
    Wolferer zögerte. Er spürte, daß er schon halb verloren oder halb zugestimmt hatte. Die fünf Prozent waren verdammt viel Geld.
    »Fünf Prozent ist nicht genug«, wiederholte Wolferer, »die Nahrungskette ist lang.«
    »Wen brauchen Sie denn noch, außer Leish und Ferenci?« Drakic blieb unerbittlich. Er war schon lange im Geschäft und Wolferer bei weitem nicht sein einziger Kunde. Jack Leish und Dr. Karla Ferenci waren Wolferers Stellvertreter bei der EAUI, und nach den Statuten mußte einer von beiden mit unterzeichnen.
    »Nutzen Sie die Sache politisch, rate ich Ihnen. Und medienwirksam! Sprechen Sie von der schnellen Versorgung, nennen Sie die miserable Abwicklung der Kosovo-Hilfe über Bari als Negativbeispiel, und Sie haben sofort alle Sympathien auf Ihrer Seite. Fünfundvierzigtausend Opfer, das ist doch was! Und es werden täglich neue Erdstöße erwartet.«
    »Ich überleg es mir«, antwortete Wolferer. »Vielleicht haben Sie recht.«
    Drakic schaute wieder auf seine Uhr und bedeutete, daß er aufbrechen müsse. Er nahm Wolferers Koffer mit den Unterlagen für die bereits verabredeten ersten zwei Drittel vom Stuhl neben sich, stand auf und gab Wolferer die Hand.
    »Dann sehen wir uns also nächste Woche«, verabschiedete sich Drakic, »es wird Ihnen gefallen, da bin ich mir sicher. Wir haben sehr charmante Begleiterinnen für Sie ausgewählt. Und vielleicht lasse ich mir noch ein besonderes Geschenk einfallen, damit Sie nicht so unglücklich sind. Auf Wiedersehen.«
    »Sie hören von mir«, antwortete Wolferer, »ich werde es Kopfersberg in Wien wissen lassen.«
    »Melden Sie sich diesmal bei uns, Spartaco macht Urlaub!« Drakic wandte sich zum Gehen.
    »Gute Reise!«
    Wolferer blieb sitzen und rief die Bedienung. Er bezahlte die beiden Biere, angelte sich den Koffer von Drakic unter dem Tisch hervor und verließ das Lokal. Er sah Drakic am Ende der Rolltreppe zur Abflugebene. Wolferer fragte sich, wohin er fliegen würde. Er schaute auf die Abflugtafel, doch zu viele Flüge waren angezeigt. Der Wiener Flughafen hatte sich seit einiger Zeit zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt nach Osten entwickelt.
    Wolferer holte seinen Wagen aus dem Parkhaus und fuhr nach Hause. Er hatte es eilig. In seiner Wohnung wollte er den Inhalt des Koffers überprüfen und zwei Bündel Banknoten abzählen, die er am nächsten Tag seinen beiden Kollegen in der Behörde übergeben mußte. Sie wußten von dem Treffen und
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