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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn
Autoren: authors_sort
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den Geruch meiner Wunde in der Nachtluft. Ihr Blick tanzte rasch an mir entlang, dann wandte sie sich ab. Gegenüber verlagerte der Crossgender-Profi leicht das Gewicht und sah mich zweifelnd an, ohne ein Wort zu sagen. Niemand war an mir interessiert. Die Straßen waren vom Regen glitschig und verlassen, und die Huren hier hatten mehr Zeit gehabt, mich kommen zu sehen, als der Typ im Hauseingang. Ich hatte mich nach dem Verlassen der Zitadelle gesäubert, aber irgendetwas an mir schien trotzdem deutlich zu verkünden, dass mit mir kein Geschäft zu machen war.
    Ich hörte, wie sie sich hinter mir in Stripjap über mich unterhielten. Ich verstand das Wort für ›pleite‹.
    Sie konnten es sich leisten, wählerisch zu sein. Im Gefolge der Mecsek-Intiative brummte das Geschäft. Tekitomura war rappelvoll in diesem Winter, es wimmelte von Schrotthändlern und DeCom-Teams, die Huren anzogen wie das Kielwasser eines Fischfrachters die Reißflügler. Wir machen New Hok sicher für das neue Jahrhundert, verkündeten die Werbeanzeigen. Vom neu gebauten Hoverlader-Dock im Kompcho-Bezirk am Stadtrand waren es weniger als tausend Kilometer Luftlinie bis zur Küste von New Hokkaido, und die Luftkissenschiffe waren Tag und Nacht unterwegs. Abgesehen von einem Flug gab es keine schnellere Möglichkeit, das Andrassy-Meer zu überqueren, aber auf Harlans Welt wagte man sich nicht in die Luft, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. Jedes Team, das schweres Gerät mit sich herumschleppte – und das traf auf alle DeCom-Teams zu – nahm von Tekitomura einen Hoverlader nach New Hok. Und diejenigen, die überlebten, kamen auf demselben Weg zurück.
    Die Stadt boomte. Das einströmende Mecsek-Geld ließ eine neue Sonne der Hoffnung am Himmel aufsteigen, die von der Stadtbevölkerung mit brutalem Überschwang begrüßt wurde. Ich humpelte über Durchfahrtsstraßen, die vom Abfall verbrauchter menschlicher Vergnügungen übersät waren. In meiner Tasche klapperten die frisch herausgeschnittenen kortikalen Stacks wie Würfel.
    An der Ecke Pencheva Street und Muko Boulevard war ein Kampf im Gange. Die Pfeifenbars am Muko Boulevard hatten gerade dichtgemacht, und die Gäste mit den gebratenen Synapsen waren im stillen, vergammelten Lagerhausviertel auf eine Gruppe Dockarbeiter aus der Spätschicht getroffen. Mehr als genug Anlass für Gewalttätigkeit. Mittlerweile taumelten rund zehn Gestalten unkoordiniert auf der Straße herum und attackierten sich unter dem ermutigenden Gejohle der Zuschauer mit laienhaften Schlägen und Griffen. Ein blutender Körper lag bereits bewegungslos auf dem Verbundglaspflaster, jemand anderer zog ihn Armlänge um Armlänge aus der Kampfzone. Überladene Energieschlagringe versprühten blaue Funken, und anderswo schimmerte eine Klinge. Aber alle, die noch auf den Beinen waren, schienen ihren Spaß zu haben, und die Polizei war noch nicht eingetroffen.
    Großartig, höhnte etwas in mir. Wahrscheinlich sind im Moment alle oben auf dem Hügel beschäftigt.
    Ich hielt den Arm schützend vor meine verletzten Rippen und umging das Getümmel so weit wie möglich. Unter dem Mantel schlossen sich meine Hände um die sanft gerundete Form der letzten Halluzinogengranate und um den etwas klebrigen Griff des Tebbit-Messers.
    Lass dich niemals in einen Kampf verwickeln, wenn du stattdessen schnell töten und wieder verschwinden kannst.
    Virginia Vidaura – Ausbilderin des Envoy Corps, später hochkarätige Kriminelle und zeitweise politische Aktivistin. In gewisser Weise war sie ein Vorbild für mich, obwohl ich sie seit Jahrzehnten nicht gesehen hatte. Auf einem Dutzend verschiedener Welten hatte sie sich ungebeten in meine Gedanken geschlichen, und ich schuldete diesem Geist ein Dutzend Mal mein Leben. Diesmal brauchte ich allerdings weder sie noch das Messer. Ich kam ohne Augenkontakt am Kampf vorbei, erreichte die Ecke Pencheva Street und tauchte in die Schatten der Gebäude, zwischen denen die Gassen in Richtung Meer abzweigten. Die Zeitanzeige auf meiner Netzhaut wies mich darauf hin, dass ich spät dran war.
    Mach hin, Kovacs. Laut meiner Kontaktperson in Millsport war auch Plex zu seinen besten Zeiten nicht besonders verlässlich, und ich hatte ihm nicht genug bezahlt, damit er allzu lange wartete.
    Fünfhundert Meter weiter und dann links in die engen, fraktalen Windungen des Kohei-Belawolle-Viertels, das seinen Namen vor Jahrhunderten nach dem, was dort aufbewahrt wurde, und nach der ursprünglichen Besitzer- und
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