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Heile Welt

Heile Welt

Titel: Heile Welt
Autoren: Walter Kempowski
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lachen…
    «Hundert Mark?»Das sei ja sehr verwegen, ob er sich da nicht übernähme?
    Schließlich stimmte der Museumsmann in das freundliche Gelächter ein: Gott, was hatte man alles erlebt! Die Bauern! Für’ne alte Klopapierrolle wollten sie tausend Mark haben, und Zinngeschirr geben sie für’n paar Groschen her! – Um auf andere Gedanken zu kommen, öffnete er die Vitrine und hob die Tassen ins Licht: »Na, nun sagen Sie mal… Das sind ja… Sind das nicht…?»Die Herren setzten sich und sahen einander an.

    Nein, nicht hundert Mark, das war ja fast eine Beleidigung. Matthias wagte es und warf in eine Heiterkeitspause hinein die Forderung nach einer zusätzlichen Null, pro Stück natürlich, immerhin Goethe, Odyssee und so weiter? Eine Null mehr, dann würde sich vielleicht über die Sache reden lassen.
    Das nahm der Kreismuseumspfleger absolut übel auf, er machte ein ernstes Gesicht, ja, seine sanguinische Stimmung kippte ins Traurige um, hatte er doch gedacht, bei Matthias auf eine gleichgestimmte Seele zu stoßen, auf einen Intellektuellen, wenn auch Volksschullehrer, inmitten ländlichen Unverstands? Der seine persönlichen Vorlieben einem größeren, höheren, amtlichen Interesse unterordnete? Und nun dies? Eiskalte Berechnung? Er meine, der Erwerb dieser Silhouetten sei doch wohl nicht ganz mit rechten Dingen zugegangen? Quasi illegal gewesen? Einfach eingesackt? Wenn er das nun aktenkundig macht. Oder dem Landesmuseumspfleger erzählt, dann könne es durchaus zu Weiterungen kommen…
    Von Kollege Schmauch wisse er, daß der eine Feuersteinsammlung angelegt habe, auch illegal…«Die hat er wohl mitgenommen?»Von dem Zeugs habe er ganze Kisten voll… Er sei immer wieder erstaunt, was sich so alles in den Häusern anfinde; bei seinen Rundgängen erlebe er immer wieder die größten Überraschungen. Beim Bauern Up de Hœcht zum Beispiel, da sei es nun zutage getreten, daß es sich bei dem Keller, aus Findlingen gemauert, wahrscheinlich um ein altes heidnisches Heiligtum handle.
    Neulich habe er in Schleisse ein silberbeschlagenes Kummet gefunden, welfischen Ursprungs, an sich unüblich für diese Gegend, hier herrsche ja Brustgeschirr vor – welches der betreffende Bauer beim Zusammenbruche an sich gebracht…
    «Ich kann Ihnen Geschichten erzählen…!»
    Von der Sache mit den dänischen Tellern habe er wohl gehört? Auch Plündergut, auf wundersame Weise wieder ans Licht gekommen. Sei er nicht ebenfalls dabeigewesen, bei dieser Aktion, bei der Witwe Herzog?
    Aber diese Scherenschnitte? Eins, zwei, drei… – acht Stück! Die Konversation der beiden Herren, die nun bereits die Beine übereinandergeschlagen hatten und Kaffee tranken aus den besonderen Tassen, umgerührt mit den feinsten Biedermeierlöffelchen aus hauchdünnem Silber, mit gepunzten Monogrammen drauf, schlug weite Bogen. Auch Müllermann-Ohfe hatte diverse Lebensstarts hinter sich, bei der Flak im Krieg hörgeschädigt… Nein. Er stand auf und hängte die Silhouette des Barons ab, machte Matthias aufmerksam auf die feinen Bläschen im Glas.
    Nun mal vernünftig miteinander reden…
    Ob er sie nicht wenigstens leihweise mal mitnehmen könne? Zur näheren Untersuchung? Vielleicht eines?
    Daß Matthias mit seiner 1000 marksforderung gar nicht so verkehrt lag, war klar. Eines Tages würde Dr. Müllermann-Ohfe erneut vorfahren, und dann würde es zu einem freundlichen Abschlußgespräch kommen. Erst mal wachsen lassen die Sache.

    «Wir müssen gelegentlich mal ein Bier miteinander trinken…», sagte der Museumsmann im Hinausgehen.Von seiner Frau jetzt geschieden, Gott sei Dank, endlich! Ehegeschädigt also. -«Besitzen Sie eigentlich noch irgend etwas von Kallroy? Außer dem sonderbaren Bild in der Veranda? Vielleicht irgendwelche Skizzen? Das würde mich noch interessieren.»
    An die alte Dame komme man ja nicht ran, und die Tochter habe wohl nicht viel zu melden? Müllermann ging noch einmal durch die Zimmer und in den Anbau hinüber und schaute hinter die Truhe und auf den Korridor, ob sich dort vielleicht noch weitere Silhouetten befänden.
    «Nein? Nichts von Kallroy? Keine Skizzen? Nicht eine einzige?» Er könne es ihm ruhig sagen, er wolle sie ja auch nur mal ansehen… Bei jedem Bauern hänge ja ein Kallroy in der guten Stube, der Alte habe seine Winterkartoffeln mit Bildern bezahlt. In letzter Zeit würden ihm anonymerweise häufiger Kallroys angeboten, allerdings meist Skizzen oder kleinere Sachen spektakulären Inhalts,
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